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Eine Oper? Eine Rezitation? Ein experimentelles Kunstlied? Wohl kaum.„Pierrot lunaire ist nicht zu singen” weiß auch Arnold Schönberg. 1912 gibt die Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin Albertine Zehme, die zuvor„Tonfreiheit” eingefordert hatte, bei ihm einen Zyklus von „Melodramen”, wie man die Verbindung zwischen Sprechgesang und Musik damals nennt. Der Komponist nimmt die Auftraggeberin beim Wort. Mit seinem Opus 21 für Sprechstimme, ein fünfköpfiges Ensemble und acht Instrumente bricht Schönberg aus dem eingehegten Spielplatz der klassischen Harmonielehre aus, lässt den Bel Canto hinter sich und entdeckt die Freiräume der freien Atonalität. Die Textgrundlage für dieses Schlüsselwerk der musikalischen Moderne bilden 21 Gedichte aus dem Zykus „Pierrot lunaire. Rondels bergamasques” des belgischen Autors Albert Giraud, der 1892 in einer deutschen Übersetzung erschienen war. Die Reaktionen des verblüfften Publikums reichen von brüsker Ablehnung bis zu frenetischer Begeisterung. „ Man hat in den der Harmonie geweihten Hallen des Rudolfinums eine solche Disharmonie niemals erlebt”, schreibt das „Prager Abendblatt” im Februar 1913 nach einem Gastspiel des„mondtrunkenen Pagliaccio”. Die Uraufführung am 16. Oktober 1912 in Berlin kommentiert der Schriftsteller Alfred Döblin in der dem Expressionismus nahestehenden Wochenschrift für Kultur und Künste „Der Sturm”: Bleibt Schönberg. Ich habe ihn zum ersten Mal gehört. Hördauer vierzig Minuten, zu wundervollen Texten des Albert Giraud. Sie fesselt ungemein, diese Musik; es sind Klänge, Bewegungen drin, wie ich sie noch nicht gehört habe; bei manchen Liedern hatte ich den Eindruck, dass sie nur so komponiert werden können.“? Im Frühjahr 1924 – nur wenige Monate vor seinem Tod – reist Giacomo Puccini nach Florenz, um im Palazzo Pitti Schönbergs „Pierrot lunaire” zu hören und trifft dabei auf eine Avantgarde, die „jeden gewöhnlichen harmonischen Sinn” überwunden zu haben scheint und die er – laut einer eigenen Aussage – nicht begreifen kann. Sechs Jahre früher – im Dezember 1918 – wird in New York sein „Tryptichon” uraufgeführt – ein Opernzyklus, dessen drittes Teilstück „Gianni Schicchi” in den folgenden Jahren besonders beliebt und erfolgreich ist. Giovacchino Forzanos Libretto baut wenige Verse aus Dantes „Göttlicher Komödie” zu einer amüsanten Story über den Florentiner Edelmann Gianni Schicchi aus, der sich als ein kürzlich Verstorbener ausgibt, um dessen Testament posthum im Auftrag der enttäuschten Verwandtschaft notariell abändern zu lassen und sich das Familienvermögen dann selbst überschreibt. Dante positioniert den tolldreisten „Kobold” in einer Abteilung der Hölle, in der die Fälscher des Geldes, des Wortes und der Person untergebracht sind. Die Sopran-Arie „O mio babbino caro” macht Puccinis Miniatur weltberühmt: „Schöner” Gesang aus einer „komischen” Oper.