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Occidente verso Oriente. L'Europa un caleidoscopio musicale - Veröffentlicht von MUSICISTA

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  • Kino und Musik: Das erste, was man in Charlie Chaplins „The Kid“ sieht, sind die Gittertore eines Armenkrankenhauses. Schaut der Mann mit dem schwarzen Schnurrbärtchen, dem dünnen Gehstock, dem kleinen Hut und den ausgetretenen Schuhen in seinem ersten langen Film wehmütig auf die eigene Biografie zurück? Die Ehe seiner Eltern zerbricht nach seiner Geburt. Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter psychisch krank. Der ältere Halbbruder – ein uneheliches Kind – unterhält die Familie. Armen- und Waisenhäuser gehören ebenso zu dieser Kindheit wie Streifzüge durch die Londoner Elendsviertel. All das taucht in „The Kid“ wieder auf und die Dachstube, in der das Findelkind auf einem Kissen hängt und aus einer Kaffeekanne seine Milch trinkt, erinnert an die Milieustudien aus den Romanen von Charles Dickens. Obwohl Chaplin die Notenschrift nicht beherrscht, komponiert er die Soundtracks für Filme wie „City Lights“ oder „Modern Times“ selbst. Dafür beschäftigt er Arrangeure, die nach seinen Vorgaben die Orchesterpartituren erstellen. „The Kid“ – eine anrührende Mischung aus Slapstick-Komödie und Sozialdrama – kommt 1921 in die Kinos. Erst 50 Jahre später konzipiert der inzwischen 82-jährige Regisseur die Musik zu diesem frühen Meisterwerk, das er mit dem berühmten Satz „Ein Film mit einem Lächeln, und – vielleicht – einer Träne“ einleitet. Timothy Brock hat den Soundtrack, der in „The Kid” mit lang gezogenen und üppig arrangierten Streichermelodien einsetzt und beim ersten Erscheinen des kleinen Tramps zur Unterhaltungsmusik der Tingeltangel-Theater aus Chaplins Jugendjahren zurückkehrt, 2016 neu arrangiert und für die Live-Aufführung adaptiert. Der Stummfilm „The Kid“ wird, parallel zur Aufführung der Originalmusik durch das Haydn Orchester, auf einer Großleinwand gezeigt.
  • Eine sinfonische Hymne an die Freiheit: Im ausgehenden 19. Jahrhundert schränkt Russland die Autonomierechte seiner finnischen Minderheit stark ein. 1899 wird finnischsprachige Literatur verboten, 1901 löst Zar Nikolaus II. die bis dahin unabhängigen finnischen Streitkräfte auf und unterwirft die Bürger des eng an Russland gekoppelten Großfürstentums Finnland der russischen Wehrpflicht. In Helsinki entwickelt eine junge Künstler-Community, zu der auch Jean Sibelius gehört, aus der finnischen Sagen- und Mythenwelt eine eigenständige Malerei, Literatur und Musik. Am 14. Dezember 1899 protestiert die finnische Kulturszene in einer „Pressefeier” im schwedischen Theater gegen ein neues Zensurgesetz und Sibelius schreibt dafür eine Suite, die mit der sinfonischen Dichtung „Finlandia” endet – dem Soundtrack der national-finnischen Autonomiebewegung. In Wien ist der 1897 als Sohn des prominenten Kritikers Julius Korngold geborene Komponist Erich Wolfgang Korngold ein „Wunderkind“ und nach der Uraufführung seiner Oper „Die tote Stadt“ – er ist damals gerade 24 Jahre alt – am 4. Dezember 1920 ein Jungstar des Musiktheaters. In den USA revolutioniert er nach seiner Übersiedlung aus dem austrofaschistischen Österreich in den Jahren 1934 bis 1947 die Musik des Kinos. Sein opulenter sinfonischer Stil, der große Klangkörper verlangt, ist in Hollywood erfolgreich: Er wird fünf Mal für den Oscar nominiert und erhält die Statue zwei Mal für die beste Filmmusik. In seinem Violinkonzert aus dem Jahr 1945 verarbeitet er eigene Partituren aus den 1930er Jahren für Filme wie „Another Dawn“, „Juarez”, „Anthony Adverse“ und „The Prince and the Pauper“. Die Musik kehrt in die prächtigen romantischen Klangwelten des 19. Jahrhunderts zurück – und positioniert sich damit weit entfernt von der Avantgarde der europäischen Nachkriegszeit. In seiner 1923 und 1924 entstandenen letzten Sinfonie sucht Sibelius nach neuen Wegen und wagt einen radikalen Schritt: Das Werk, das ursprünglich als „sinfonische Phantasie” in vier Sätzen konzipiert war, verdichtet er zu einem einzigen Satz und schafft damit eine innovative und dynamisch sich verändernde Form in der „alles fließt”. Nach der Proben für die Uraufführung der 7. Sinfonie stellt er zufrieden fest: „Ein großer Erfolg. Es besteht kein Zweifel: Mein neues Werk ist eines meiner besten.” Er sollte recht behalten.

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