CULTURE

Mumie Ötzi: ein very cold case
Josef Rohrer über den ältesten Mordfall der Geschichte

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In seinem neuen Buch widmet sich der Meraner Autor dem Mann aus dem Eis. Dafür hat er sich drei Tage lang in eine Hütte zurückgezogen, und zwar mit drei Experten: Archäologe Andreas Putzer, Rechtsmediziner Oliver Peschel und Profiler Alexander Horn. Ausgehend von den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen wollten sie herausfinden, wer Ötzi war und warum ihm jemand einen Pfeil in die Schulter geschossen hat. Geballte Kraft für einen 5.300 Jahre alten hochalpinen Mordfall.

Herr Rohrer, ständig bringen die Medien irgendwelche Hypothesen über Ötzi. Wie schaut es damit in ihrem Buch aus?
Es wird dauernd etwas Neues über Ötzi berichtet, weshalb ich am Anfang etwas skeptisch war, als der Verlag mit der Idee auf mich zugekommen ist. Aber dann habe ich mir gedacht, dass es spannend sein könnte, sich nur auf die Fakten zu beschränken und auf das, was wir wirklich belegen können. So haben wir Ötzi, seine Zeit und den Mord aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht: Kriminalistik, hochalpine Archäologie, Gerichtsmedizin. Und dass alles ausgehend vom Material und den Erkenntnissen, die bislang darüber veröffentlicht wurden. Natürlich war die Versuchung auch für uns groß, irgendwelche Vermutungen anzustellen, aber wir haben uns dann immer wieder selbst zurückgepfiffen.

Welche Rolle hatten Sie als Autor in diesen drei Tagen?
Am Anfang hieß es, ich solle das Ganze als Zuhörer aufzeichnen und in eine Form bringen. Nach dem ersten Treffen habe ich aber bemerkt, dass ich mich intensiver mit dem Thema auseinandersetzten musste. So habe ich Fachaufsätze gelesen und weiter recherchiert, damit ich überhaupt verstehen konnte, worüber hier gefachsimpelt wird. Am Ende hat sich auf diese Weise eine interessante Konstellation ergeben, denn die drei haben erzählt und ich konnte, dank meines Vorwissens, das Gespräch dirigieren und Fragen einwerfen, die mich selbst beschäftigten. Es waren sehr intensive Tage, von früh morgens bis spät in die Nacht.

Als Ötzi 1991 gefunden wurde, waren Sie Journalist beim Wochenmagazin FF. Haben Sie damals über den Fund berichtet?
Ehrlichgesagt nein. Für mich handelte es sich um eine Mumie, zwar sicherlich schon etwas älter, aber ich habe die Situation damals völlig unterschätzt. Der erste FF-Bericht über Ötzi war von Heinrich Schwazer, weil er die Tragweite des Fundes sofort verstanden hatte. Aber ich kann mich erinnern, dass er uns damals während der Redaktionssitzung regelrecht davon überzeugen mussten, dass sich ein Beitrag lohnen würde.

Und über 30 Jahre später versuchen Sie nun seine letzten Geheimnisse zu lüften…
Für mich war der Mordfall eher ein Vehikel, um dem Thema allgemein näher zu kommen und die Erkenntnisse über die damalige Zeit zu bündeln. Wie haben die Menschen gelebt? Was wissen wir über das Kupferbeil? Wie deutet man die Tätowierungen? Natürlich bleibt vieles offen, weil wir keinen Vergleich haben und deshalb auch nichts Konkretes über Ötzis Status in der Gesellschaft sagen können. Was wollte er da oben? Und wenn er wirklich auf der Flucht war, wieso hat er sich an einem Ort hingesetzt, von dem aus er nicht das gesamte Gelände im Blick hatte? Vieles, was die Mumie für die Menschen so interessant macht, hat mit seinem Tod, also dem Mord zu tun. Wäre er erfroren, sähe es ganz anders aus. Aber gerade weil wir diesen cold case nie lösen werden, bleibt es spannend.

Adina Guarnieri

ZUR PERSON:
Josef Rohrer (*1955) war Chefredakteur eines Wochenmagazins und ist einer der „Väter“ des Museums zur Tourismusgeschichte, Touriseum, in Meran.

 

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