Vinschger Jahrgang 1923
Drei wichtigen Südtiroler Künstlern zum Hundertsten
Friedrich Gurschler, Martin Rainer und Karl Grasser gehören zu den namhaftesten Positionen der Südtiroler Kunst. Schloss Kastelbell widmet ihnen aktuell eine Ausstellung, mit fast hundert Werken, aber nicht nur, denn die Künstlerin Elisabeth Hölzl hat eigens für die Schau eine Rauminstallation geschaffen. Kuratiert wird „Geboren 1923“ von Eva Gratl und Ursula Schnitzer.
Alle drei wurden im Vinschgau geboren, im Fall von Martin Rainer war es ein Seitental: das Schnalstal. „Karl Grasser und Friedrich Gurschler sind ihr ganzes Leben lang im Vinschgau geblieben, Martin Rainer ist irgendwann nach Brixen übersiedelt. Aber die Verbindung zum Tal und zur Heimat, die Freundschaften blieben erhalten und vor allem die Eindrücke aus der Kindheit, die sich in vielen Werken widerspiegeln“, so Ursula Schnitzer. Die karge Landschaft, die alten Höfe, das einfache Leben kennzeichnen die ersten Lebensjahre der Künstler. Eva Gratl: „Sie sind in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen, haben sich als Hüterbuben durchgeschlagen und schwere Zeiten miterlebt – sozial, politisch, menschlich. Alle drei waren im Krieg und Karl Grasser wurde sogar dermaßen schwer verletzt, dass er nur noch mit einer Hand arbeiten konnte.“ Die Nähe zu den Tieren, das Leid im Krieg, die heilende Wirkung der Natur sollten sie ein Leben lang begleiten.
Der Weg zur Kunst
In den 1950er-Jahren besuchten sie unterschiedliche Kunstakademien: Grasser in Wien, Gurschler in Nürnberg und Rainer in München. Auch stilistisch gingen sie getrennte Wege, obwohl stets in der Bildhauerei zuhause: Bronze und Holz ziehen sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Rainers Figuren entfalten dank ihrer Flächigkeit eine fast architektonische Wirkung, werden zum Raum im Raum, während Grassers Arbeiten eine zutiefst menschliche Wärme ausstrahlen. Gurschler fand im Tier seine Berufung, in der Darstellung von Hirsch, Murmeltier und Pferd. So unterschiedlich sie auch waren, ist ihnen doch eines gemein: die Liebe zur Schöpfung, eine authentische Religiosität. Eva Gratl: „Allen dreien war es wichtig, die Würde des Menschen und die Tiefe der menschlichen Seele zu bewahren und in ihren Skulpturen zu verankern. Und besonders bei Martin Rainer weiß man, dass ihn jene fasziniert haben, die abseits stehen: die Alten, die Kranken, die Armen“.
Die Ateliers erleben
Die Künstler sind inzwischen verstorben – Rainer 2012, Gurschler 2020 und Grasser im Juni vergangenen Jahres. Es ist deshalb für uns heute nicht einfach, einen Einblick in ihren kreativen Arbeitsalltag zu erhaschen. In Kastelbell ist das dennoch möglich, und zwar dank der Rauminstallation von Elisabeth Hölzl, die die Ateliers der Künstler fotografiert hat. Diese Fotos in Schwarz-Weiß sind großformatig im Obergeschoss ausgestellt. „Zu den Fotografien hat mich noch interessiert, verschiedene Objekte aus den Studios der Künstler mitzunehmen. Ich habe bemerkt, dass sie auf ähnlichen Werkbänken gearbeitet haben, mit ähnlichen Schnitzmessern und Materialien. Die Werkstatt als Ideenschmiede und als Ausgangspunkt für die weiteren Arbeiten, das habe ich ganz stark gespürt und deshalb wollte ich es in der Ausstellung zum Angreifen wiedergeben“, so die Künstlerin. Ein intimer Einblick in das Wirken dieser drei Persönlichkeiten, die aus der Südtiroler Moderne kaum wegzudenken sind.
[Adina Guarnieri]
„GEBOREN 1923“
Schloss Kastelbell
30.04. – 25.06.2023