Südtiroler Kulinarik vom Feinsten
Ein Interview zum neuen Buch von Marlene Lobis
Gasthäuser haben in Südtirol eine lange Tradition. Um diese zu wahren wurde 2012 die Gruppe „Südtiroler Gasthaus“ gegründet. Heute zählt der Zusammenschluss knapp 30 Mitglieder. Zum 10-jährigen Jubiläum ist nun ein Buch mit Rezepten und allerlei Anekdoten aus dem Gasthausleben erschienen.
Liebe Frau Lobis, die Auswahl an Südtiroler Kochbüchern ist immens. Worin unterscheidet sich Ihres?
Bei diesem Buch steht eine Gruppe mit einer klaren Vision dahinter. Es geht um die Verwendung regionaler und saisonaler Zutaten, aber auch um das Stärken der Südtiroler Gasthauskultur und der kleinen Gasthäuser. Es war uns wichtig, nicht nur ein Kochbuch zu machen, sondern auch die Menschen hinter den Rezepten und den Charakter der Betriebe vorzustellen. Ein Besuch im Gasthaus hat nicht nur etwas mit Kulinarik zu tun, sondern mit der gesamten Atmosphäre, dem historischen Erbe, mit den Gastgebern. Alle 29 Betriebe sind familiengeführt, zum Teil seit über 10 Generationen, und das ist etwas Besonderes.
Welche Rolle spielt das Gasthaus im Südtiroler Alltagsleben?
Es hat eine wichtige soziale Funktion, denn es ist der Ort, an dem man sich trifft und wo sich einiges vom Dorfleben abspielt. Ich habe das Gefühl, in letzter Zeit zieht es die Menschen wieder öfters ins Gasthaus, vielleicht weil wir uns in einer dermaßen digitalen Welt zwischendurch einfach mal wieder physisch treffen wollen.
Gibt es so etwas wie das „typische“ Gasthaus?
Vielmehr würde ich sagen: Die Stärke dieser Gasthäuser liegt gerade in ihrer Individualität. Es ist faszinierend, dass jeder „Südtiroler Gasthaus“-Betrieb die gemeinsame Mission der Gruppe auf seine Weise interpretiert: manche eher traditionell, andere hingegen modern oder puristisch. Der Stil und der Charakter der Gastgeberinnen und Gastgeber sind Teil der Erfahrung, ansonsten macht es ja keinen Unterschied, wo ich einkehre.
Können Sie eine der Gasthaus-Geschichten mit uns teilen?
Die wohl kurioseste Geschichte für mich: Das Haus des Tló Plazores im Gadertal hat heute noch das Mauerwerk, wie es im 15. Jahrhundert war. Dort hat mir die Gastgeberin Uli Ties erzählt, dass früher, wenn jemandem ein Zahn ausfiel, diese in kleinen Löchern in der Stubenwand aufbewahrt wurden. Wenn die Person starb, wurden die Zähne in den Sarg gelegt, damit sie „vollständig“ in den Himmel kam. Als die Stube 2000 restauriert wurde, kam ein solcher Zahn zum Vorschein, den hat man wohl dort vergessen – Uli hat ihn bewusst dort gelassen, weil solche Kleinigkeiten die Seele des Hauses ausmachen.
Wie würden Sie die Rezepte beschreiben?
Im Buch sind rund 60 Rezepte zu finden. Die Zutaten stammen vorwiegend aus der Region und es ist bei den Rezepten immer angegeben, in welcher Jahreszeit sie gekocht werden können. Alle „Südtiroler Gasthaus“-Betriebe versuchen, unser kulinarisches Erbe zu pflegen und zugleich weiterzuentwickeln. Deswegen findet man in diesem Buch sei es klassische Gerichte wie Erdäpfelblattln oder Pressknödel mit Ahrntaler Graukäse, aber auch Schüttelbrotspatzln mit Lammragout und Stachelbeeren oder Kartoffel-Shiitake-Puffer mit Roastbeef und vieles mehr – also traditionelle Südtiroler Gerichte mit Pfiff und einem modernen Touch.
[Adina Guarnieri]