Schiller & mein Freund Harvey
Das deutschsprachige Theater im April
Der Osterhase steht in den Startlöchern und auch die Bühnen geben im Frühling ihr Bestes. Mit allerlei Feiertagen und langen Wochenenden haben wir nun genügend Zeit, um uns “theatralisch” berieseln zu lassen. Und die Highlights entdecken Sie hier.
Wer ihn im März verpasst haben sollte: Philipp Hochmair ist Anfang des Monats erneut mit seinem Schiller Balladen Experiment beim Südtiroler Kulturinstitut zu Gast (04.04., Forum Brixen). Frei nach dem Motto „Schiller lebt, und wie!“ hat sich der Schauspieler mit Musiker Fritz Rainer zur Band „Die Elektrohand Gottes“ zusammengetan, um Schillers Balladen wie einen Handschuh auf Links zu drehen. Der atemlose Sturm und Drang trifft auf elektronische Klangwelten und Schicht für Schicht legt Philipp Hochmair wie in einem Wort-Steinbruch ein Juwel nach dem anderen frei. Ob die Ballade „Ring des Polykrates“, in der es um Kriegssieger und die Flüchtigkeit des Glücks geht, oder „Die Bürgschaft“, die selbst im Angesicht des Todes nicht bricht – weder leise, noch langweilig ist dieser Schiller.
Anschließend erwartet Sie Die Redaktion von Calle Fuhr nach einer wahren Begebenheit (09.04. Kulturhaus Schlanders, 10.04. KiMM Meran). Ein Thriller über Journalismus als Machtkontrolle, der uns in die österreichischen Chefetagen von Politik und Wirtschaft führt. OMV ist Österreichs größter Konzern in Sachen Erdöl und Erdgas. Seit 2020 recherchiert eine Gruppe des DOSSIER zur OMV. Bis dahin hatte der Konzern die Zeitungen weitgehend im Griff. Doch DOSSIER lässt sich nicht kaufen und deckt Unglaubliches auf, darunter Greenwashing und geheime Sponsoringverträge mit Putins Lieblingsfußballclub. Es wird zum Thema in parlamentarischen Anfragen, im Ibiza-Ausschuss, auf Klima-Demos. Calle Fuhr erzählt von Hintergrundgesprächen in verruchten Wiener Beisln, offenen Schlagabtäuschen, von Drohungen, Klagen und dem Ringen um Transparenz.
In der Bozner Carambolage ist nicht der Hase los, sondern die Ochsen. Dort findet nämlich just am 1. das Improtheater „April April“ statt. Jemand könnte meinen, der April mache was er will. Und zum Ochsen lässt du dich heute nicht machen und schon gar nicht zum Fisch? Na, dann mal aufgepasst, denn bei diesem Impro-Erlebnis wird niemand reingelegt. Hier legt sich die Truppe mächtig ins Zeug, damit man noch ein paar Lachmuskeln draufpacken kann. Hier wird das gespielt, wovon alle träumen: Autokraten braten, während Oligarchen schnarchen; genüsslich Diktatoren schmoren…alles steht bereit, um die Geschichte(n) neu zu schreiben. Nach der Sause ist Bumtschak Welle mit „Tuitata“ zu Gast, einer Mischung aus Konzert und Lesung mit Arno Dejaco, Magdalena Schwärzer, Hannes Larcher und Matthias Gamper (14.04.). Präsentiert wird das neue Album, eben „Tuitata“, gepaart mit vorgetragener Wortkunst. Mit E-Piano, elektronischen Geräten, Gitarre, Schlagzeug und Stimmen werden Songs, Lyrik und Kurzprosa zu Einblicken in vibrierende Gemüter. Ein spezielles Gemüt hat auch er: Gunkl (16.-17.04.). Mit „Nicht nur, sondern nur auch – ein ziemlich ungeordneter Versuch, über Ordnung zu reden“ präsentiert er den wohl längsten Titel der Kabarettgeschichte, aber er kann es sich getrost erlauben. Der „Gehirnakrobat“ sieht den Menschen im Würgegriff der Hilfszeitwörter. Also, nicht der Wörter selbst, aber das, was damit beschrieben wird. Das bringt unser Handeln auf den Punkt: Können, Müssen und Wollen. Wer alles weiß und kann, aber nichts will, wird nix tun. Gut, außer, er muss. „Ein scharfsinnig und sprachlich geschliffenes Plädoyer für gewissenhaftes Auseinanderhalten und gemütsruhiges Abwägen, humoristisch beseelt von einem fest in Wissenschaft und Humanismus verankerten Optimismus“, das schreibt der „Falter“ über Gunkl.
Auf geht’s in den nächsten Keller, diesmal nach Brixen in die Dekadenz. Bis 9. April ist dort die Eigenproduktion Tom auf dem Lande zu sehen, ein intensives Psychodrama voller Lügen, Leidenschaft und unausgesprochenen Wahrheiten. Als der junge Werbetexter Tom aus der Großstadt zum Begräbnis seines Liebhabers Guillaume in die Provinz fährt, gerät er auf dem Hof von dessen Familie in einen Strudel aus Lügen, Verdrängung und Gewalt. Tom gibt sich als Arbeitskollege aus, weil Guillaumes Mutter nichts von der Homosexualität ihres Sohnes geahnt hat. Und sein ältester Bruder tut alles, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt. Doch zunehmend scheint er Tom für eine Schuld zu bestrafen, die keiner der beiden in Worte fassen kann. In der Abgeschiedenheit des Bauernhofs entspinnt sich ein gewalttätiges, erotisch aufgeladenes Spiel zwischen den beiden Männern, dem sich Tom auf fatale Weise fügt.
Lustig geht es bei den Vereinigten Bühnen Bozen zu. Dort steht die US-Komödie Mein Freund Harvey von Mary Chase auf dem Programm (ab 05.04.). Haben Sie schon mal einen 1,96 Meter großen weißen Hasen gesehen? Einen Puka? Nein? Kein Grund zur Sorge, denn damit sind Sie in bester Gesellschaft. Auch Veta Louise Simmons und ihre Tochter Myrtle Mae pflegen keinen Umgang mit Pukas. Dabei wohnt ein Vertreter dieser Spezies unter ihrem Dach. Harvey lautet sein Name und er ist der beste Freund von Vetas Bruder Elwood. Am liebsten verbringen sie ihre Zeit in den Bars der Stadt, trinken und reden. Und wie es sich für einen Mann mit guten Umgangsformen gehört, stellt Elwood seinen Freund überall vor – sehr zum Entsetzen seiner Familie, denn Veta sieht ihren guten Ruf und die Heiratschancen ihrer Tochter gefährlich schwinden. Als letzter Ausweg erscheint ihr nur noch Elwoods Zwangseinlieferung in die Psychiatrie, doch da hat sie die Rechnung ohne Harvey gemacht, der seinem Freund zur Seite steht. Die Komödie wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und ermutigt dazu, über „Normalität“ und „Diversität“ nachzudenken. Die liebenswürdigen Charaktere mit ihrer schrulligen Poesie beweisen, dass all das normal ist, womit man sich wohl fühlt.
Von den Hasen zu den Bären: Im Stadttheater Bruneck ist das Stück Ich habe ein kleines Problem, sagte der Bär zu sehen (11.04., ab 6 Jahren). Meister Petz sucht Rat, allerdings kommt er kaum zu Wort. Nach nur wenigen Sätzen meinen nämlich alle, sie hätten sein Problem längst schon erkannt. Aber nicht nur das: sie wissen ganz genau, was er dagegen tun kann. Vom Erfinder bekommt er Flügel, vom Schuhverkäufer rote Schuhe und vom Arzt Tabletten – doch es interessiert niemanden, was der Bär wirklich braucht. Bis schließlich eine kleine, unscheinbare Fliege auftaucht… Eine Geschichte mit viel Witz über wahre Freundschaft und über das Zuhören, wunderbar poetisch umgesetzt.
[Adina Guarnieri]