Willst du mit mir spielen?
Holzspielzeug aus Gröden eroberte einst Kinderzimmer auf der ganzen Welt
„Das Spiel ist die Arbeit des Kindes“, ist ein wichtiger Ansatz der modernen Pädagogik. Kinder probieren sich aus, lernen sich durchzusetzen, entwickeln Strategien, körperliche Talente und geistige Fähigkeiten. Jahrzehntelang war dabei heimisches Spielzeug ganz vorne mit dabei.
Dass man in Gröden gut schnitzen kann, ist hinlänglich bekannt. Krippen- und Heiligenfiguren, Statuen, Kruzifixe, Altäre. Doch Spielzeug? Ja, Spielzeug. Ganze Familien waren mitunter mit der Herstellung von Spielzeug (ladinisch „chiena“) beschäftigt.
Spielzeug als Lebensgrundlage
„Zwei Drittel der Grödner Bevölkerung war lange Zeit in die Holzschnitzkunst involviert, ein beträchtlicher Teil davon stellte Spielzeug her“, erläutert Isabell Pitscheider, Mitarbeiterin des Museums Gherdëina. „Kaum jemand konnte von der Landwirtschaft leben. Schnitzen, Klöppeln und Drechseln war für die Familien ein Muss, eine Lebensgrundlage. Dabei muss man bedenken, dass diese Arbeiten früher beschwerlich waren, sie mussten oft am Abend, im schlechten Licht der Öllampen, ausgeführt werden.“ Die geschäftstüchtigen und fleißigen Grödnerinnen und Grödner verkauften ihre Waren in alle Welt, zunächst buchstäblich mit der Rückentrage und nicht selten zu Fuß vom Tal bis in die europäischen Städte. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs herrschte so viel Nachfrage nach Holzspielzeug aus Gröden, dass sogar die Nachbartäler Villnöss und Fassatal in die Produktion mit einbezogen wurden. Es gab damals bereits viersprachige Kataloge und eine ausgeklügelte Logistik. Größeren Werken wie etwa Holzaltären wurden detaillierte Bauanleitungen beigelegt, denn das gute Stück musste beim Käufer wieder fachgerecht zusammengesetzt werden.
Der Ruhm vergangener Tage
Das Museum Gherdëina beherbergt eine einmalige Sammlung des alten Grödner Holzspielzeugs, die mit viel Hingabe von Johann Senoner Vastlé vor 1940 zusammengetragen und im Laufe der Jahre vom ehemaligen Präsidenten des Museums, Robert Moroder, erweitert wurde. Gliederpuppen und Schaukelpferde, Fadengaukler und Tänzerinnen, Turner und Fahrleute entführen die Besucherinnen und Besucher in die heitere Welt der Kindheit und der Phantasie. Bis April findet jeweils freitags eine Themenführung durch die Holzspielzeug-Sammlung statt. Lange Zeit waren neben mehreren kleineren Produzenten zwei Schnitzkunst-Hersteller in Gröden tonangebend: Anri (Anton Riffeser) und Sevi (Senoner Vinzenz, 1831 gegründet). Die beiden teilten sich den Markt auf; während Anri vorwiegend Schnitzereien und Figuren produzierte, spezialisierte sich Sevi auf Holzspielzeug. Die Firmenleitung war ständig an Innovationen und Weiterentwicklung interessiert und arbeitete dabei auch mit Designern zusammen. 1999 wurde die Marke verkauft; Sevi-Holzspielzeug ist weiterhin im Handel erhältlich.
Schenkung mit 8.000 Objekten
Im April 2023 übergab die Familie Senoner Vastlé ihre Mustersammlung der Sevi-Kollektionen dem Museum Gherdëina. Sie reicht von den 1930er- bis zu den 1990er-Jahren und umfasst 8.000 Objekte. Um dieser einzigartigen Sammlung gerecht zu werden – schließlich wird Sevi als älteste Holzspielzeug-Marke Europas gehandelt – wird eine schöne Auswahl davon ab Weihnachten 2025 im Museum zu sehen sein. Dafür wird extra ein Saal im ersten Stock des Museums geräumt. Die momentan darin befindlichen Exponate sollen nach einem geplanten und längst notwendigen Um- und Ausbau einen neuen Platz finden. Schon jetzt begeistere das Grödner Holzspielzeug die Besucherinnen und Besucher des Museums Gherdëina, wie Isabell Pitscheider bekräftigt. Die neue Ausstellung 2025 wird mit Spannung erwartet und soll Jung und Alt umso mehr zum Spielen einladen.
[Sibylle Finatzer]
MUSEUM GHERDËINA
Öffnungszeiten Winter: bis 4. April 2025, dienstags bis freitags 10–12.30 Uhr und 14–18 Uhr, 26. Dezember bis 6. Jänner täglich 10–12.30 Uhr und 14–18 Uhr, 31. Dezember und 1. Jänner geschlossen
Themenführung Grödner Holzspielzeug: Jeden Freitag um 16 Uhr
Dauer: ca. 1 Stunde
Anmeldung: Tel. 0471 797554,