„Wörtersammeln und Stichwörteln“
Der Südtiroler Lyriker und Autor Julian Messner
Julian Peter Messner, Jahrgang 1986, lebt in Oberrasen im Pustertal. Er arbeitet in Bruneck, spielt in seiner Freizeit gern Theater, singt in einer Band und seit 2017 ist er mit Annemarie verheiratet. Bereits zwei Bücher hat er veröffentlicht, eines mit Gedichten, das andere mit autobiographischen Geschichten. Das alles ist Julian. Und: Julian hat Trisomie 21, das Down-Syndrom.
Direkt aus dem Leben
„Wörtersammeln und Stichwörteln“ ist vor kurzem bei Edition Raetia erschienen und beinhaltet über hundert kurze Erzählungen über den Familienalltag, das Berufsleben sowie die Freizeit von Julian Messner. Damit verfolgt er ein klares Ziel: den Leserinnen und Lesern anhand vieler einfacher, aber kostbarer Erfahrungen zeigen, dass ein Leben mit Trisomie 21 nicht nur möglich, sondern schön sein kann. „Absolut lebenswert – mein Leben mit Down-Syndrom (ich lache, ich tanze, ich jauchze, ich seufze, ich weine, ich liebe, ich werde geliebt…)“, das schreibt er in seinem Buch. Aber auch: „Lange Zeit wollte ich überhaupt nicht behindert sein. Jetzt habe ich eingesehen, dass es nicht zu ändern ist, und ich habe es akzeptiert.“ Es sind eben nicht nur erfreuliche Geschichten, die Julian Messner mit uns teilt. Der Tod seines Vaters oder die Panikattacken, die ihn manchmal heimsuchen – Freud und Leid wechseln sich ab.
Miteinander reden, statt übereinander
Eine besondere Begebenheit, die Julian Messner beschreibt, ist die Einladung zu einem Kongress zum Down-Syndrom in Bozen 2009. Er sollte Grußworte sprechen und bekam den Text gleich per E-Mail mitgeschickt. Zugesagt hat er aber erst, als man ihm versicherte, dass er selbst eine Rede verfassen und vortragen dürfe. Darin beschreibt er seine Angst vor diesem Auftritt, nicht, weil es ihn nervös macht, vor vielen Menschen zu reden, sondern weil die vielen Menschen über Trisomie 21 sprechen, ohne ihn zu kennen – ihn, aber auch seine Freundinnen und Freunde aus der Kunstwerkstatt „Akzent“ in Bruneck, die vom Verein Lebenshilfe betrieben wird. „Ich möchte, dass Sie alle verstehen, dass wir euch brauchen. Ich möchte aber auch, dass Sie und alle verstehen, dass auch Sie und alle uns brauchen im schönen Miteinanders.“ Miteinanders, das ist ein Zusammensein, bei dem man zugleich miteinander, aber auch anders ist.
Nicht nur Texte
Julian Messners Spezialgebiet ist das Texten. Er bezeichnet sich selbst als „Wörtersammler“, denn so wie andere Briefmarken oder Münzen sammeln, hortet er Wörter, die penibel aufgeschrieben und verwahrt werden. Einige seiner Wortsammelbögen sind im Buch als Illustrationen abgedruckt. Doch das Schreiben allein füllt nicht seine Tage, denn er gehört seit vielen Jahren zum Team der Kunstwerkstatt Akzent, die auch eine kleine Galerie betreibt, in der regelmäßig Ausstellungen stattfinden. Auch hat Julian Messner, dem die Schauspielerei in die Wiege gelegt wurde, das Theaterstück „Hochzeitsfieber am Gardasee“ geschrieben und selbst als Regisseur betreut. Doch der wichtigste Meilenstein in seinem Leben war die Heirat mit Annemarie. Wo er sie kennengelernt hat, wie er ihr den Antrag gemacht hat, wann geheiratet wurde – das alles lesen Sie in „Wörtersammeln und Stichwörteln“.
[Adina Guarnieri]
FRÜHJAHRSPUTZ
hab meine wörterkiste aufgeräumt
hab die wörter herausgenommen
sortiert abgestaubt und archiviert
zum schluss lagen noch drei worte da
traurigkeit wut und freude
die traurigkeit hab ich in den arm genommen
gewiegt und gestreichelt
da hat sie sich aufgelöst
mit der wut hab ich getanzt
bis die verdampft ist
die freude aber
hab ich in mein herz gesperrt
damit sie nicht verschwinden kann
Aus: „ausnahmsweise ohne titel“,
Edition Raetia (2022)