Mozart und die nackte Wahrheit
Im Theater geht es rund in diesen 28 Tagen
Man könnte meinen, der Februar sei der kleine Bruder unter den Monaten. Dabei wartet er, zumindest was Südtirols Bühnen betrifft, mit einem dermaßen reichen Programm auf, dass man fast nicht hinterherkommt. So stehen beispielsweise...
…beim Südtiroler Kulturinstitut drei Gastspiele auf dem Programm. Den Anfang macht Bilder von uns von Thomas Melle, in dem es um die bereits erwähnte „nackte Wahrheit“ geht (12.-13.02. Waltherhaus Bozen). Ein Bild aus der Vergangenheit konfrontiert Jesko plötzlich mit dem, was er in seinen Erinnerungen an die Schulzeit in einem katholischen Internat vergraben hatte. Inzwischen ist er ein erfolgreicher Manager und Familienvater, aber als das Foto ohne Absender auf dem Handy auftaucht, gerät sein Leben aus den Fugen. Was ist damals wirklich passiert? Es beginnt die Suche nach dem Absender, aber auch nach der Wahrheit über eine Zeit, die vielleicht traumatisierender war, als Jesko es sich eingestehen möchte. Ein Psychothriller über Verdrängung und mediale Ausschlachtung. Ganz anderes Thema: Wien hat einen neuen Superstar, und zwar Mozart! Als „eine kleine Lachmusik“ präsentiert sich Amadeus von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill, ein Stück, das inzwischen internationalen Kultstatus genießt (19.02. Forum Brixen, 20.02. Waltherhaus Bozen). Joseph II. holt den Komponisten für eine Oper nach Wien. Der Hofstaat sieht die Sache skeptisch, doch der geniale Mozart flieht mit seiner Constanze vor dem strengen Vater und arbeitet emsig an der Seite von Antonio Salieri – bisher des Kaisers Liebling, aber eben kein Wunderkind. Und so bahnen sich Rachegelüste ihren Weg… Zum Schluss wird’s süß, denn Chocolat von Joanne Harris gastiert im Stadttheater Sterzing (25.02.). Eine alleinerziehende Mutter eröffnet in einem kleinen französischen Dorf eine Patisserie mit feinsten Schokoladen. Der Pfarrer ist gar nicht angetan von dieser „Verführung“. Er verbietet seiner Gemeinde den Umgang mit der Frau, doch sie kontert, sodass auf überaus amüsante Weise zwei Welten aufeinanderprallen: Askese vs. Schoko-Trüffel. Mit Harald Krassnitzer als grantelnden Pfarrer und Ann-Kathrin Kramer als Verführerin steht ein äußerst charmantes Ehepaar auf der Bühne.
Musikalisch wird es bei den Vereinigten Bühnen Bozen mit dem Musical Rent von Jonathan Larson (ab 15.02.). 1996 uraufgeführt, eroberte es den Broadway im Sturm und wurde schnell zu einem Riesenerfolg. Es geht um eine tolerante und weltoffene Künstler-WG, deren Besitzer plötzlich mehr Miete will. Denn: der einst verpönte Stadtteil ist nun hipp und das gewachsene soziale Gefüge soll neureichem Protz weichen. Gentrifizierung nennt sich das Phänomen. Wer kann sich da überhaupt noch ein Dach über dem Kopf leisten? Etwa die drogenabhängige Mimi oder der Transvestit Angel, die plötzlich in der WG auftauchen? Larson hat sich für Musik und Handlung von Puccinis „La Bohème“ inspirieren lassen und das Setting ins East Village der 1990er verlegt. „Rent“ zeigt die Unterdrückung von Diversität durch Fremdenhass und Kapitalismus und es tut dies mit zeitlosen Songs zwischen Grunge, Rockballaden und motivischer Romantik.
Stichwort Romantik: In der Carambolage ist der Amor los, denn das Improtheater gibt sich den „Lovestories“ hin. „Love is in the air“, das singt nicht nur John Paul Young, sondern auch in Bozen trällern es die Spatzen von den Dächern. Das Improtheater ist keine Mimose, sondern feiert die Liebe, wann immer sie in die Herzen des Publikums fällt. Der Heilige Valentin ist schließlich nicht der Einzige, der über glühende Leidenschaft Bescheid weiß. Aber Achtung: Termin ist der 18. Februar, denn am 14. ist die Bühne bereits von Teresa Reichl besetzt. Wer sonst noch alles in der Carambolage zu Gast ist, das lesen Sie ab Seite 20.
In der Dekadenz in Brixen schaut Chrissi Buchmasser vorbei mit einem Programm, nach dem man wohl die eigene Mama anrufen möchte (02.02., Vorspiel: Silvia Manzardo). Buchmasser war ein artiges Kind. Heute ist sie Mutter. Und müde. Müde vom Wachliegen, den täglichen Katastrophen und den Erwartungen, die die Gesellschaft einer Frau gegenüber hat. In ihrem Debüt zeigt sie, was passiert, wenn ein Mädchen erwachsen wird und keinen Bock mehr hat auf „brav“. Zwischen niedlichen Kindheitserinnerungen und der knallharten Realität des Mutterseins wird gnadenlos abgerechnet. Im Anschluss stellt sich Regisseur Peter Stuppner eine schwierige Frage: Wie erzählt man das Leben eines Menschen? Mit den Erfolgen oder den Niederlagen?
Und wird man diesem Leben je gerecht – erst recht, wenn es um Alexander Langer geht? Himmelfahrtsrisse. Bilder zu Alexander Langer handelt von einem Leben im Dialog, stets auf der Suche nach Brücken zwischen Mensch und Welt. Seine Vision von Verständigung macht ihn bis heute relevant. Zu Langers 30. Todesjahr begibt sich die Dekadenz auf eine vielschichtige Spurensuche. Sie verzichtet dabei auf eine lückenlose Biografie und wählt stattdessen einen künstlerischen Zugang. Inspiriert von seinen Schriften und Gesprächen mit Wegbegleiter:innen fragt die Inszenierung, wie ein Leben in Verantwortung gelingen kann – gegenüber der Umwelt, den Mitmenschen und sich selbst.
Verantwortung übernehmen muss auch der junge Jojo, Hauptfigur in Das Herz eines Boxers von Lutz Hübner, das Thomas Hochkofler im Theater in der Altstadt Meran inszeniert (ab 9.02.). In einem Strafverfahren wurde Jojo zu Sozialstunden verurteilt, die er in einem Pflegeheim ableisten muss. Täglich taucht er beim alten Leo auf, um die Wände in dessen Zimmer zu streichen. Leo, ein ehemaliger Boxer und gefangen in einsamem Groll, ignoriert den „Eindringling“. Doch allmählich kommen sie ins Gespräch, zuerst auf Konfrontation gebürstet, aber bald wendet sich das Blatt. Es entsteht eine Freundschaft, die sie im großen Match des Lebens verbündet.
Das Stadttheater Bruneck zeigt noch bis 21. Februar die Eigenproduktion Prima Facie von Suzie Miller. Tessa, die sich zur Strafverteidigerin hochgeboxt hat, verteidigt vor allem Männer, die wegen sexueller Übergriffe angeklagt sind. Als sie selbst Opfer eines Missbrauchs wird, muss sie erkennen, dass sie in einem männlich dominierten System agiert, das bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen schlichtweg versagt. Zum Lachen ist hingegen „Nur eine Phase, Hase“, ein Trostprogramm für Midlifecrisis-Gebeutelte und Alterspubertierende mit Edi Jäger (26.-27.02.). Sie laufen in Yogagruppen über den Jakobsweg, besuchen Kite-Surf-Kurse oder wollen ihr Sexleben aufpeppen. Klingt erschreckend? Ist es auch. Aber vor allem ist es sehr, sehr lustig. Falls es Sie tröstet: Alterspubertierende sind die größte Bevölkerungsgruppe in Europa. Sie sind nicht allein.
[Adina Guarnieri]