Neues Jahr, neues Stück
Der Jänner auf Südtirols Bühnen
Mit frischer Energie starten die Theater des Landes nach den Feiertagen ins neue Jahr. Es wird lustig und ernst, dramatisch, leise und auch laut. Fazit: Für jeden Geschmack ist was Passendes dabei. Und wo genau Sie was finden, lesen Sie hier.
Von einem ergreifenden Thema handelt Spuren der Seele von Teatro la Ribalta - Kunst der Vielfalt (15.01., Don-Bosco-Saal Brixen). In Zusammenarbeit mit Theatraki und der Lebenshilfe Südtirol geht es darin um die Vernichtung von Menschen mit Behinderung während der Nazizeit. Es ist ein Theater der Menschlichkeit und zugleich Zeugnis des Schicksals, denn die Schauspielerinnen und Schauspieler, die uns diese Geschichte erzählen, sind selbst Betroffene. Nach dem Verständnis der Nazi-Ideologie wären sie „lebensunwertes Leben“ gewesen – heute hingegen stehen sie als zentrale Figuren auf der Bühne. Mit „Spuren der Seele“ wurde das Ensemble Teatro la Ribalta - Kunst der Vielfalt vor rund 10 Jahren ins Leben gerufen. Nach vielen erfolgreichen Aufführungen in Italien wurde das Stück in mehrere Sprachen übersetzt, um diese wichtige Botschaft möglichst vielen Menschen näherzubringen.
In der Carambolage in Bozen steht Die Deutschlehrerin auf dem Programm (ab 09.01.). Es geht um Mathilda Kaminski, ihres Zeichens Deutschlehrerin, und Xaver Sand, ehemals Shooting-Star unter den Jugendbuchautoren. Einst waren die beiden ein Traumpaar, doch seitdem sind sechzehn Jahre vergangen. Bei einem Schulprojekt treffen sie aufeinander und sofort nehmen sie ihr fiktionales Erzählspiel von früher wieder auf. Dabei begibt sich Mathilda auf gefährliches Terrain. Xaver kontert. Wer hat das bessere Ende? Was steckt hinter dem mysteriösen Verschwinden des kleinen Jungen vor fünfzehn Jahren? Und war ihr Wiedersehen wirklich Zufall? Ein fesselnder Beziehungskrimi. Fesselnd sind auch sie: die Jungs und Mädels vom Improtheater (31.01.). Sie bleiben im Winter gern zu Hause, ziehen sich Filzpantoffel an und zappen durchs Programm? Niemand will Sie davon abhalten, aber ganz ehrlich: Impro ist ein bisschen wie Couchkino, nur viel besser! Und wie sagt man so schön: ist im Jänner das Theater voll, wird der Frühling wie er soll.
Die Dekadenz in Brixen beginnt das Jahr mit Verwurzelt & versteinert – GsichterGschichtn, ein Kabarett an der Schnittstelle von Literatur, Musik und visueller Kunst (17.01.). Gesichter in Bäumen, Wurzeln oder Felsen... sie sieht sie ständig, aber ist sie deshalb verrückt? Diese Frage stellt sich Brigitte Knapp, die deshalb den „Therapeuten“ Daniel Faranna aufsucht, der zufällig auch Musiker ist. Sein Rat: Sie solle den Gesichtern zuhören und ihre Geschichten aufschreiben. Es entstand so ein außergewöhnlicher Erzählband, der vor kurzem erschienen ist. Das Buch vereint Lyrik, Prosa und Lieder in deutscher Sprache und Südtiroler Dialekt, inspiriert von fotografierten Gesichtern in Naturgebilden. Brigitte Knapp und Daniel Faranna präsentieren das Buch zusammen mit Musik sowie Videos von Stefan Ghedina. Ungewöhnliches Kabarett macht auch er: Gunkl (24.01.). „Nicht nur, sondern nur auch – ein ziemlich ungeordneter Versuch, über Ordnung zur reden“. Hinter diesem langen Titel verbirgt sich die Gunkel’sche Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Hilfszeitwörter. Nicht die Wörter selbst, aber das, was damit beschrieben wird, das bestimmt das Terrain, in dem unser Handeln abläuft. Wer alles weiß und kann, aber nichts will, wird nix tun. Gut, außer, er muss. „Ein scharfsinnig und sprachlich geschliffenes Plädoyer für gewissenhaftes Auseinanderhalten und gemütsruhiges Abwägen, humoristisch beseelt von einem fest in Wissenschaft und Humanismus verankerten Optimismus.“, das schreibt der „Falter“.
Das Jugendtheater Vinschgau, kurz Juvi, inszeniert Die Welle (ab 10.01., Kulturhaus Schlanders). Erzählt wird die Geschichte eines Experiments, das komplett aus dem Ruder läuft. Ein Geschichtslehrer, Mr. Ross, will seiner Klasse zeigen, wie leicht Menschen in autoritäre Strukturen abrutschen können. Was als harmloses Experiment beginnt, entwickelt sich schnell zu einer echten Bewegung, bei der Disziplin, Gehorsam und Gruppenzwang die Klasse entfachen. Doch der Spaß kippt, als Ausgrenzung und Kontrolle überhandnehmen und keiner mehr aussteigen kann. Am Ende muss Mr. Ross einen Weg finden, um die gefährliche Dynamik zu stoppen, bevor es zu spät ist.
Das Südtiroler Kulturinstitut bringt mit Was ihr wollt einen zeitlosen Klassiker von William Shakespeare ins Bozner Waltherhaus (15.-16.01.). Viola findet sich nach einem Schiffbruch in einem unbekannten Land wieder, in dem alles möglich scheint: Freie Liebe, wildes Begehren und Verführen. Als könnte das aberwitzige Spiel mit Identitäten, Selbstbespiegelungen, Verkleidungen und Verwechslungen ein Happy End haben. Als würden nicht alle nur sich selbst lieben, ohne sich je selbst zu erkennen. Allein der Narr weiß mehr. Eine „dark comedy“, deren Originaltitel „Twelfth Night or What You Will“ an die zwölf Raunächte erinnert, in denen die Menschen zwischen Weihnachten und Dreikönig ausschweifende Feste gegen die Dunkelheit feierten. Autobiografisch hingegen wird es mit Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O’Neill (28.01. Kulturhaus Schlanders, 29.01. Forum Brixen, 30.01. Waltherhaus Bozen). Das abgründige Leben einer Familie, erzählt an einem einzigen Tag. Die Tyrones sind nach längerer Zeit endlich wieder vereint und wie so oft gibt es Streit. Vater James, früher ein Bühnenheld, tyrannisiert die Familie mit seinem Geiz. Mutter Mary, einst Schönheitskönigin, war wieder mal auf Entzug. Sohn James ist Zyniker und Trinker und der jüngere Sohn Edmund leidet an Tuberkulose, die als Grippe bagatellisiert wird. Nur Mary hegt noch Hoffnung auf das „winzige Maß an Liebe, welches das Maß des Hasses übersteigt“. Das Stück aus dem Jahre 1956 zählt zu den Klassikern der amerikanischen Dramen und wurde, unter anderem, mit dem Pulitzer-Preis und dem Tony Award ausgezeichnet.
Zu allerletzt schauen wir nach Meran, wo im Theater in der Altstadt das Puppenspiel Der kleine Prinz zu sehen ist (bis 05.01.). Die Geschichte ist weltbekannt: Ein Pilot muss in der Wüste notlanden und trifft dort den kleinen Prinzen, den es von einem winzigen Planeten auf die Erde verschlagen hat. Sie werden Freunde, doch eines Tages ist der kleine Prinz wieder verschwunden. Der Erzähler startet sein repariertes Flugzeug und bittet die Leser, sich beim ihm zu melden, sobald der kleine Prinz wieder da sei… Eine wundervolle und fantasiebeflügelnde Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft, Verlust und ein märchenhaftes Plädoyer für mehr Menschlichkeit.
[Adina Guarnieri]