„Eine Vita mit Kunst“ - Ein Geschenk für uns
Lene Morgenstern: Eine Lebenskunst aus Worten und Poetry Slam
Mit Leidenschaft und Engagement hat sie die Literatur in ihrer vielfältigen Form auf die Bühnen Südtirols gebracht und so etlichen Künstlern die Möglichkeit gegeben, aufzutreten und sich zu behaupten.
Ein Gespräch mit Lene Morgenstern, großartige Sprachkünstlerin und Pionierin der Südtiroler Poetry Slam-Szene.
Wie entstand Ihre starke Verbindung zum Wort und zur Kunst des Sprechens?
Ich glaube, dass ich mir eine Vita ohne Kunst gar nicht vorstellen kann. Kunst ist essenziell für mich. Das Performen von Texten, das Sprechen on stage, die Liebe dazu haben sicher mit meiner Liebe zur Musik zu tun. Sprache ist Rhythmus. Texte verfügen über eine Sprachmelodie. Natürlich ist auch der Inhalt eines Textes wichtig, aber wenn die Sprachmelodie passt, dann ist der Text gleich viel schöner. Als ich merkte, dass es mich stark zu den Worten hinzieht, war ich in meinem Leben an einem Punkt angekommen, an dem ich etwas zu sagen hatte. Dass ich daraus einen Beruf gemacht habe, hatte vor allem damit zu tun, dass ich es einfach gemacht habe. Rückblickend war das durchaus mutig.
Worauf sind Sie heute besonders stolz?
Ich bin stolz, dass Poetry Slam in Südtirol so beliebt ist. Und ich freue mich riesig über die hervorragende Vernetzung der Südtiroler Szene mit den Szenen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien. Wir sind bei allen wichtigen Meisterschaften mit dabei.
Was zeichnet Poetry Slam aus und warum erfreut er sich so großer Beliebtheit?
Poetry Slam ist fresh. Kurzweilig. Wenn ein Text gut ist, erwischt er das Publikum wie eine Wow-Welle. Wenn ein Text weniger gut ist, ist nach 5 Minuten alles vorüber. Poetry Slam steckt voller Überraschungen. Und er sorgt dafür, dass auch das Publikum eine Rolle spielt. Und außerdem kann er ein wirklich guter Einstieg in die Literatur, in das Kabarett oder in das Theater sein. Poetry Slam bietet die Möglichkeit, sich ganz unkompliziert auszuprobieren und dabei herauszufinden, was dem Publikum gefällt.
Die Bühne bietet auch Gelegenheit, politische Themen aufzugreifen...
Literatur darf politisch sein. Umgekehrt gilt das übrigens nicht: Politiker:innen spielen unglaublich gern mit Worten, das sollte aber nicht so sein.
Was unterscheidet die Südtiroler Poetry Slam-Szene im Vergleich zu europäischen Realitäten?
Südtirols Slamily geht ganz liebevoll miteinander um. Es gibt keinen Neid, man schätzt einander und man hilft einander weiter. Das ist etwas ganz Besonderes. Zudem finden sich im Südtiroler Line-up Menschen unterschiedlichster Altersklassen - die Teilnehmenden sind 16 Jahre jung bis über 80 Jahre alt. Wir sind eine mehrsprachige Szene. Auch das ist besonders. Männer sind derzeit eher die Ausnahme - es dürfen sich gerne mehr davon melden.
Wie kann sich die Poetry Slam-Szene in Südtirol weiterentwickeln?
Die Szene darf noch diverser werden. Größer, besser, grandioser geht immer, das müssen wir aber nicht. Ich wünsche der Szene vor allem die Erhaltung des Status Quo. Wir haben Trainingsbühnen, wir haben eine Landesmeisterschaft und wir nominieren Teilnehmer:innen für die nationalen Meisterschaften in Österreich, Deutschland und Italien. Südtiroler Slammer:innen touren durch die Nachbarländer, und wir laden tolle Slammer:innen nach Südtirol ein. 2023 konnten zwei Südtiroler Slammer:innen zwei nationale Siege nach Hause bringen. Das ist großartig! In diesem April wird uns der Weltmeister 2022 besuchen. Das ist wunderbar! Es wäre super, wenn wir das Niveau halten können.
Zukünftige Projekte?
Ende März startet die WAAG-Slam-Saison 2024. Im Juni wird ein Improvisationskonzert an der Schnittstelle Literatur und Musik uraufgeführt, daran arbeite ich seit Monaten, gemeinsam mit anderen Künstler:innen. Voraussichtlich findet die Poetry Slam-Landesmeisterschaft 24 im Sommer statt. Meine Rolle ist die des Tuttofare, und das Finale werde ich moderieren. Ich schreibe Miniaturen. Und persönlich habe ich auch noch einiges vor.
[Fabian Daum]
ZUR PERSON
Lene Morgenstern ist Sprachkünstlerin. Sie koordiniert die Poetry Slam-Szene in Südtirol. Sie hatte Auftritte bei Arte, im ZDF, beim SRF. Sie hat philosophisch-poetische Texte für Radio Deutschlandfunk Kultur produziert. Sie war die Ideatorin der ersten Südtiroler Poetry Slam-Bühne „SUD-Slam“ (2012) sie hat die Lesebühne „MundWerk“ ideiert (2012), sie hat den Ost West-Slam in Meran mitgegründet (2016), und 2022 hat sie den WAAG-Slam mit ins Leben gerufen - die derzeit angesagte multilinguale Poetry Slam-Bühne in Bozen. Als sie selber noch an Poetry Slam-Wettbewerben teilnahm, hat sie zwei Mal die Südtiroler Poetry Slam-Landesmeisterschaften gewonnen (2011 und 2013), und sie hat auch Philosophy Slams in Zürich, Bienne und Köln gewonnen (2013, 2014 und 2016). Sie ist Vize-Vorsitzende der Südtiroler Autoren-und Autorinnenvereinigung und betreut dort Spoken Word- und Jugendprojekte.