Wie die Malerei, so die Poesie
Hofburg Brixen: Ausstellung „Ut Pictura Poesis“ von Luis Stefan Stecher
Luis Stefan Stecher ist in Südtirol allgemein bekannt als Erschaffer der „Korrn-liadr“ und der 18 Bildtafeln „Totentanz“ an der Friedhofsmauer der Kirche St. Ulrich in Plaus. Der 86-Jährige widmet sich seit 70 Jahren dem Schreiben und der Malerei.
Luis Stefan Stecher wird 1937 in Laas geboren und wächst in Innsbruck und im Vinschgau auf. 1953, mit nur 16 Jahren und nach einer Ausbildung als Lithograf, geht Luis Stefan Stecher nach Wien zum Studium an die Akademie der Bildenden Künste und an die Hochschule der angewandten Kunst.
Den Vinschgau an der Nabelschnur
1959 kehrt der junge Künstler nach Südtirol zurück. Seit Jahrzehnten lebt Stecher in Marling, doch die Verbindung zu seinem Geburtstal, den Vinschgau, prägt ihn bis heute. Im Jahr 1978 setzt er seinen Landsleuten, die aus der Not eines kargen Lebens heraus gezwungen waren, mit dem „Korrn“ durch die Lande zu fahren, ein literarisches Denkmal. Die „Korrnliadr“ sind im Vinschger Dialekt geschrieben; einzelne wurden bereits des Öfteren vertont. Im heurigen Jahr hat sich sein Sohn Heiner, leidenschaftlicher Musiker, aber im Brotberuf Gynäkologe am Schlanderser Krankenhaus, mit seinem Ensemble „Flouraschwarz“ an eine zweite CD mit Vertonungen der Korrnliadr gewagt –
erfolgreich. Darauf ist der Vater auch stolz.
Herr Stecher, Sie leben in Marling, aber die Verbindung zu Ihrem Heimattal ist stark spürbar. Ihr Vater hat im Marmorbruch gearbeitet – haben Sie nie Lust verspürt, als Bildhauer tätig zu sein?
Oh, ich habe mit Marmor gearbeitet – ein wundervolles Material. Aber diese Arbeiten sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Darüber hinaus habe ich mich immer als Maler und nicht als Bildhauer gefühlt. Mit Marmor habe ich eher bautechnisch zu tun. Ich habe übrig gebliebene Marmorbauteile geschenkt bekommen, so etwa eine zerbrochene Treppe, die habe ich in meinem Zuhause verbaut. Ich betrete also sozusagen jeden Tag Vinschger Grund und Boden.
Die Hofburg in Brixen ist eigentlich ein Inbegriff des Südtiroler Katholizismus. Man könnte meinen, der Veranstaltungsort sei für Sie als Maler-Poeten, der sich immer wieder mit religiösen Themen beschäftigt, nicht zufällig gewählt?
Das eine hat mit dem anderen eigentlich nichts zu tun. Ich bin eingeladen worden, meine Werke auszustellen. Ich bin aber zunächst davon ausgegangen, dass hauptsächlich religiöse Arbeiten ausgestellt werden sollten, eben wegen der Geschichte der Hofburg. Dem war aber nicht so. Die Verantwortlichen wollten einen Querschnitt meines Schaffens zeigen und auch meine schriftlichen Werke mit einbeziehen. Das hat mich wirklich gefreut. Ich bin ja immer doppelbödig gefahren mit dem Malen und dem Schreiben. Das eine kann nicht ohne das andere, und ich kann ohne beides nicht. Ich bin daher mit den Aussagen dieser Ausstellung sehr zufrieden. Interesse ehrt mich immer!
Zeitgenössische Künstler als Kontrapunkt
Kann die Ausstellung vielleicht auch als Auseinandersetzung mit dem Glauben und mit den großen Fragen des menschlichen Seins gedeutet werden, die Stechers Schaffen immer wieder durchzieht? Kathrin Zitturi, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hofburg, sagt dazu: „Grundsätzlich möchten wir als Kontrapunkt zum historischen Kontext und den dementsprechenden Sammlungen der Hofburg zunehmend zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform bieten. Mit der Ausstellung ,Ut Pictura Poesisʻ wollten wir bewusst nicht nur religiöse Werke, sondern auch Stechers Beschäftigung mit Weltliteratur, mit mythologischen Themen, mit Gedichten und Aphorismen zeigen. Erwähnen kann man hierbei besonders, dass Luis Stefan Stecher sich auch mit konkreten aktuellen Themen auseinandersetzt wie etwa der Gentechnik. Der geneigte Betrachter kann daher immer wieder etwas Aktuelles in den Bildern finden. Aber ja, in vielen Werken Stechers kann durchaus ein Fingerzeig auf die menschliche Eitelkeit und die Endlichkeit des irdischen Lebens herausgelesen werden.“
Am Ende stünde sowieso das große Amen, sagt Luis Stefan Stecher und schrieb im Plauser Totentanz: „O lott sui grood die groassn Naamen – doo entn wearnsi klianr Aamen.“
[Sibylle Finatzer]