Momente des Lebens und des Bewusstseins
Fotoprojekt in Schwarzweiß: Ansichten eines bewegten
Jens Pfeifer sagt von sich, „immer glücklich gewesen“ zu sein. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Krankheit Multiple Sklerose ihn schon gut die Hälfte seines Lebens begleitet. Nun hat er ein Fotobuch mit dem Titel „Aus-sicht – Panorama“ veröffentlicht.
„Ich bin zu dieser Publikation gelangt, nachdem ich viele Personen gesehen und getroffen habe. Das Buch erzählt das ,Panorama‘ und ist eine Ansicht des gesamten Territoriums, das mein Leben in seiner Gesamtheit gesehen bewertet. Zugleich bedeutet Panorama in Deutsch auch ,Aus-sicht‘, das für mich soviel bedeutet wie ,Stop der Sicht‘“, schreibt Jens Pfeifer in seinem Fotoband.
Lebenspanorama
Jens Pfeifer ist am 25. Mai 1975 in Bozen geboren. Er lernt seine um ein Jahr jüngere Frau Heidi Erschbamer in der Oberschule kennen; nach der Matura ziehen sie gemeinsam nach Wien zum Studieren. Dort entdeckt Pfeifer die Liebe zur Fotografie und besucht ab 1998 eine entsprechende Schule, neben dem Studium. 2001 wandert das Paar nach Dänemark aus, wo 2011 Sohn Maurice zur Welt kommt. In Kopenhagen beendet Jens Pfeifer sein Studium, widmet sich aber immer auch der Fotografie. Er arbeitet bei BMW, als Bühnenarbeiter und als Italienischlehrer an Privatschulen. Außerdem ist er bei der Besetzung einer Kirche dabei, um das Recht auf Asyl von irakischen Familien einzuklagen. 2012 kehrt die Familie nach Bozen zurück, 2014 kommt Tochter Linnéa zur Welt.
Panorama eines Lebens
Im Fotobuch, das am 9. Februar am Sitz der Multiple Sklerose Vereinigung Südtirol in der Bozner Mailandstraße vorgestellt wurde, gewährt Jens Pfeifer Einblicke in sein bewegtes Leben. Er zeigt Momentaufnahmen von Personen, die er kennt, die Fotos folgen schnell aufeinander, vier auf jeder Seite, „schnell und voll, so wie mein Leben war“, beschreibt er selbst.
In der zweiten Hälfte des Bandes wird den Fotos mehr Raum gewährt, es soll der Eindruck von Langsamkeit entstehen, weil Pfeifer auch die fortschreitende Krankheit am Schnellsein hindert. Die Schnappschüsse sind spontan, völlig fremde Personen sind zu sehen, „so unvorhersehbar, überraschend, so wie ich von der Krankheit überrascht wurde“, erklärt Jens Pfeifer dazu.
Keine Aus-sicht
Jens Pfeifer wohnt seit April 2023 im Langzeitkrankenhaus Firmian, eine bewusste Entscheidung. Er möchte seine Familie nicht belasten, auch wenn seine Frau Heidi und die Kinder das anders sehen. Pfeifer hat Schwierigkeiten beim Sprechen, kann sich kaum bewegen. Wenn er an einem Röhrchen im Mund saugt, ertönt im Schwestern- und Pflegezimmer ein Signal, das ist seine Notrufklingel. „Es ist besser, die Kinder besuchen mich, als dass sie mich zu Hause ständig so sehen“, sagt er. Im Buch „Sterben – Des Lebens heller Schatten“ von Astrid Kofler erzählen Jens und Heidi von der Krankheit. Zu Hause habe Jens Frau und Kinder hin- und hereilen gesehen und konnte nichts für sie tun, das sei nicht einfach für ihn gewesen. Nun freut er sich über sein Zimmer mit Balkon und über jeden Besuch.
Optimismus und Lebensfreude
Heidi Erschbamer sagt: „Das Strahlen hatte er immer. Er ist ein Optimist. Er hat immer das Positive gesehen.“ Vor dem Tod hat Jens Pfeifer keine Angst. Er möchte so lange wie möglich leben, auch wenn er nichts mehr tun kann. Vor allem möchte er so lange wie möglich seine Kinder begleiten und aufwachsen sehen. Nun hat er, der kaum „Aus-sicht“ hat, mit dem Fotoprojekt „Ein-sichten“ in sein Leben gewährt. Mehr als nur bemerkenswert.
[Sibylle Finatzer]
FOTOBAND „AUS: __ : SICHT – PANORAMA“
Von Jens Pfeifer, mit Unterstützung der Multiple Sklerose Vereinigung Südtirol
Erhältlich bei: Multiple Sklerose Vereinigung Südtirol, Mailandstraße 15, Bozen
Infos und Kontakt: 0471 201116,