Ein Künstler – viele Gesichter
Das frische Südtiroler Talent Lorenz Wenter
Lorenz Wenter (*1993, Innichen) studiert an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ist häufig zu Besuch in Südtirol. Der Künstler interessiert sich für Medizin und Geometrie, Astronomie und den Klimawandel. Kurzum für alles, womit sich eine Geschichte erzählen lässt.
„Das ist eine Soloshow, die wie eine Gruppenausstellung ausschaut“, das sagte Lorenz Wenter über die Werkauswahl für die Ausstellung, die er im September im Kunstforum Unterland in Neumarkt gezeigt hat. Im ersten Moment klingt das nicht ungewöhnlich, schließlich lotet er als Student noch seine kreativen Möglichkeiten aus. Schaut man sich seine Bilder aber genauer an, so verschlägt es einem doch die Sprache, denn von abstrakter großformatiger Malerei bis hin zu figurativen Miniaturen ist in seinem Schaffen so ziemlich alles vertreten. Auf die Frage, woher das komme, antwortet der Künstler mit einem Wort: Es handle sich um Trigger, also Inputs. Etwas, das er sieht, hört oder riecht und das bei ihm unbewusst etwas in Gang setzt, sodass er es gestalterisch umsetzten möchte.
Kunst über Umwege
Seit 2018, nach seinem Bachelor in Grafikdesign an der Universität in St. Pölten, studiert Lorenz Wenter in Wien. In seinen ersten Akademiejahren ging es ihm um das Bild an sich, was sich in leuchtenden Farben und unterschiedlichen Oberflächenstrukturen niederschlug. Auch fraktale Gebilde aus den Bereichen Mathematik und Geometrie hat er damals visuell dargestellt. Denn man muss wissen: Der Künstler hegt großes Interesse für die Wissenschaft. Bevor er z.B. einen Stern malt, will er alles über diese Himmelskörper recherchieren und entscheidet erst dann, ob es eine Supernova oder ein roter Zwerg sein soll. Er hat deshalb nicht ganz unrecht, wenn er sagt, er verdanke die Hälfte seines Wissens der Kunst. Und weil ihn konkrete Themen reizen, schien ihm die Abstraktion bald wie eine Flucht vor der Realität. Seine Arbeiten sollen sich mit den Herausforderungen unserer heutigen Zeit beschäftigen.
Ein neues kreatives Kapitel
Schlüsselwerk dieser neuen künstlerischen Phase ist „Wie viele deiner Lieben hättest du ohne die moderne Medizin verloren?“ Zu sehen ist ein Krankenhaus im Querschnitt, dessen Stockwerke wie die Register mittelalterlicher Fresken die Etappen der Medizingeschichte darstellen. Im Keller sehen wir das 19. Jahrhundert, als man z.B. Frauen von ihrer angeblichen Hysterie heilen wollte, indem man ihnen einen Eisenpflock ins Gehirn bohrte. In den mittleren Stockwerken ist die Gegenwart abgebildet, wo besonders die Leere ins Auge fällt, obwohl es genug zu tun gäbe. Zeitgleich finden hier sechs Geburten statt, doch es herrscht die Krux des Personalmangels. In den letzten Registern erstrahlt die Zukunft und hier will uns der Künstler zuversichtlich stimmen mit freudigen und ausgeglichenen Menschen.
Menschliches Wohl – tierisches Wohl?
Ebenfalls mit der Medizin befasst sich der Künstler in „Herz vom Schwein“ und „Wurst vom Schwein“. Trigger war hier eine Meldung von 2023, als in den USA ein genetisch modifiziertes Schweineherz transplantiert wurde. Der Patient starb zwei Monate später, jedoch wurde der Vorgang inzwischen mehrmals erfolgreich wiederholt. Ein medizinisches Wunder, das Angst macht und zugleich Hoffnung spendet, das aber auch die Diskussion aufwirft, ob es in diesen Fällen ethische Grenzen gibt und wo diese zu ziehen sind. Und weiter: Wie wurde das Organspenderschwein behandelt? Vermutlich gut, schließlich möchte niemand ein Herz aus Massentierhaltung in der Brust haben. Und wie verhält es sich mit der Wurstsemmel? Wie gut soll es diesen Tieren gehen, die doch unseren gesamten Verdauungstrakt durchwandern?
[Adina Guarnieri]