Von wegen besinnlich…
In der Vorweihnachtszeit geht’s rund im Theater
Kurz vor Silvester kredenzen Südtirols Bühnen das Feinste vom Feinsten, denn für das Christkind kann es gar nicht gut genug sein. Schnell noch einen Glühwein kippen und dann sich reinkuscheln in den warmen Sessel, so klingt das Jahr am besten aus.
In fast schon grenzwertig weihnachtlicher Stimmung ist die Carambolage in Bozen, wo Matthias Schriefl seine Moving Krippenspielers vereint (16.12. und am Abend zuvor in der Dekadenz). Die international besetzte Truppe verwandelt altbekannte Weihnachtslieder in ein humoristisches Erlebnis. Mit rund dreißig Instrumenten, witzigen Dialogen, Kostümen und spontanen Aktionen entwickelt sich so ein Krippenspiel, das seinesgleichen sucht, zwischen heimeligem Dreigesang, groovenden Tubas, Boogie und Gospel. Das Ergebnis ist alles andere als vorhersehbar, weder für das Publikum, noch für die Ausführenden. Stichwort unvorhersehbar: das ruft das Improtheater auf den Plan (17.12.). Die Gruppe kann es nämlich kaum erwarten, sich in Zimt und Gewürznelken zu suhlen. Der Wein glüht und eine Flüchtlingsfamilie aus dem Nahen Osten wird in einem Stall untergebracht, über dem die Engel singen. Hätte es damals schon Improtheater gegeben, hätten die Hirten dem Jesuskind vielleicht ein Musical mit Happy End gespielt. Oder endlich die Lovestory mit Maggie fertig erzählt. Deshalb ab ins Theater, denn hier wird das Leben mit frohen Botschaften gefüllt. Und vielleicht schaut sogar die Weihnachtsfrau vorbei!
Eine Entdeckungsreise durch die Wahrnehmung der Weiblichkeit im Wandel der Zeit ist in der Dekadenz in Brixen zu sehen. Poisonflower oder die Wurzel allen Übels (07.12.) nennt sich dieser Abend zwischen Literatur, Tanz und Performance, an dem die Schauspielerin Elisabeth Kanettis und die Cellistin Cristina Basili in einer mystischen Atmosphäre die Werke von Billie Holiday, Vivaldi und sogar Tokio Hotel überraschend harmonisch zusammenbringen. Durch die Verflechtung dieser Werke mit der Lyrik von Elisabeth Kanettis entsteht ein Gesamtbild, das Dramatik, Komik und scharfe Kritik an der Menschheit vereint. Ein herausforderndes Erlebnis, das Ihnen sicher lange im Gedächtnis bleiben wird. Und keine 24 Stunden später geht es auch schon weiter mit dem nächsten Highlight, diesmal auf der Astra-Bühne, denn hier lässt der Brixner Beschwerdechor (08.12.) das Jahr mit der Eigenproduktion „B-fleckte Empfängnis“ ausklingen: Weil gemeinsames Singen gesund für Körper und Seele ist, glücklich macht und ein Gefühl der Verbundenheit schafft. 25 kritische Bürger:innen „brotteln“ gemeinsam auf spielerische Weise über Themen wie Privatisierung und Wohnungsnot, den Rechtsruck, über zu wenig Geld für zu viel Arbeit sowie über zu viele Touristen für zu wenig Stadt.
Um Gesang geht es auch beim Südtiroler Kulturinstitut, das Meisterklasse Maria Callas von Terrence McNally nach Südtirol holt (10.12. Kulturhaus Schlanders, 11.12. Forum Brixen). Das Stück spielt in New York im Jahre 1971, als Maria Callas an der Juilliard School ihre erste und einzige Meisterklasse abhält. Die Gesangsprominenz sitzt versammelt im Saal, um die als schwierig verschriene Diva hautnah zu erleben und ihre Geheimnisse zu erfahren. Dabei hat sie ihren allerhöchsten Anspruch und ihre Schonungslosigkeit bereits mit dem Verlust ihrer Gesangsstimme bezahlt. Der Auftritt in New York, wo die Callas 1923 als Kind griechischer Einwanderer zur Welt kam, lässt sie auf Triumphe und Verwerfungen ihres Lebens zurückblicken. Die Inszenierung am Wiener Volkstheater hat Kultstatus: 170.000 Menschen sahen diese im Laufe von elf Jahren und Andrea Eckert wurde für ihre Interpretation der Diva mehrfach ausgezeichnet.
Von der Klassik kommen wir zu einem Klassiker der Kinderliteratur: Die dumme Augustine von Ottfried Preußler, die im Stadttheater Bruneck zu sehen ist (bis 07.12.). Regisseur Alexander Kratzer erzählt darin die Geschichte der, wie der Titel schon verrät, dummen Augustine, Gattin des im Zirkus auftretenden dummen August und Mutter von Guggo, Gugga und Guggilein. Sie träumt davon, auch einmal im Zirkus als Clown auftreten zu können, aber stattdessen führt sie mühevoll den Haushalt, kocht, putzt und wäscht. Der dumme August hält das nicht für „richtige“ Arbeit. Durch einen Zufall ergibt sich dann die Chance ihres Lebens und am Schluss erkennt ihr Mann, welche Fähigkeiten in ihr stecken. Mit Charme und Feingefühl spricht das Stück ein gesellschaftskritisches Thema an, ohne dabei das Theatervergnügen für Groß und Klein zu schmälern.
Ebenfalls dem jungen Publikum gewidmet ist das Puppenspiel Der kleine Prinz, inszeniert von Christina Khuen im Theater in der Altstadt Meran (ab 14.12.). Die Geschichte ist weltbekannt und doch immer wieder schön: Ein Pilot muss in der Wüste notlanden und trifft dort den kleinen Prinzen, den es von einem winzigen Planeten auf die Erde verschlagen hat. Sie werden Freunde, doch eines Tages ist der kleine Prinz wieder verschwunden. Der Erzähler startet sein repariertes Flugzeug und bittet die Leser, sich beim ihm zu melden, sobald der kleine Prinz wieder da sei… Eine wundervolle und fantasiebeflügelnde Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft, Verlust und ein märchenhaftes Plädoyer für mehr Menschlichkeit.
Weiter geht es mit den großen Namen der Literatur, denn nach Antoine de Saint-Exupéry kommen wir nun zu Michael Ende, dessen Traumfresserchen die Vereinigten Bühnen Bozen zeigen (bis 15.12.). In Schlummerland lebt Prinzessin Schlafittchen, die nachts immer böse Träume hat und deshalb nie ins Bett gehen will. Niemand, nicht mal die Klügsten im Land, können ihr helfen. Da packt die Königin eines Tages ihren Rucksack und geht in die Welt hinaus. Sie fragt viele Menschen, ob sie ein Mittel gegen schlechte Träume wüssten, leider vergebens. Da begegnet sie einem seltsamen Wesen, Traumfresserchen genannt, dem nichts besser schmeckt als böse Träume. Ob es auch Schlafittchen helfen kann?
Märchenhaft neigen wir uns dem Ende zu, denn im Raiffeisenhaus Lana steht die Theateraufführung Brüderchen und Schwesterchen nach einer Erzählung der Gebrüder Grimm auf dem Programm (ab 7.12.). Die Volksbühne Lana bringt damit die Geschichte eines Geschwisterpaares auf die Bühne, das vor der Stiefmutter davonläuft. Diese hat aber den Wald verzaubert und so passiert es, dass Brüderchen in ein Reh verwandelt wird. Bei einer Jagd lernt ein König Schwesterchen kennen und nimmt die beiden mit zu sich. Doch die böse Stiefmutter kriegt davon Wind und macht sich auf in die Burg des Königs, wo sie Schwesterchen in einen Geist verwandelt, damit stattdessen ihre leibliche Tochter zur Königin gekrönt wird. Wird der Betrug auffliegen?
Adina Guarnieri