Raus in den Sommer
Luftiges Freilichttheater vom Feinsten
Sie ist wieder da: die Freilichtsaison. Überall im Land werden die Stuhlreihen zurechtgerückt und allerlei Stoßgebete für trockene Abende in Richtung Himmel entsandt. Und was es dieses Jahr Besonderes zu erleben gibt, dass lesen Sie hier.
Im suggestiven Ambiente von Schloss Tirol wird ein Klassiker zum Besten gegeben: Das Gespenst von Canterville (ab 16.07.). Der künstlerische Leiter der Schlossfestspiele, Torsten Schilling, widmet sich dem Stoff aus der Feder des irischen Schriftstellers Oscar Wilde, der 1887 mit dieser Erzählung eine unsterbliche Figur geschaffen hat. Eine Familie aus den USA lässt sich auf Schloss Canterville nieder, wo seit Jahrhunderten der Geist von Sir Simon durch die Hallen spukt. Doch den “kulturlosen“ Amerikanern machen seine kultivierten Gruselattacken nichts aus – ganz im Gegenteil! Irrwitzig und satirisch, verbirgt sich hinter der turbulenten Komödie in Wahrheit eine scharfe Gesellschaftskritik. Auf der einen Seite betrifft diese den US-amerikanischen Zeitgeist mit seinem schonungslosen Materialismus, auf der anderen wird der typisch englische Glaube an das Übernatürlichen auf die Schippe genommen.
Und wir bleiben im englischen Sprachraum. Die Freilichtspiele Lana zeigen Shakespear in love (ab 05.07., Regie: Thomas Hochkofler) nach dem gleichnamigen Film von John Madden. Damit wird eine Tradition fortgesetzt, denn auch die Stücke der letzten Jahre – “Das Weiße Rössl“ und “Die Piefke-Saga“ – waren zuerst als Filme erfolgreich, ehe sie für die Bühne adaptiert wurden. Die Geschichte handelt von der fiktiven Liebesbeziehung zwischen Shakespeare und Viola, die den Dramatiker zu seiner Tragödie “Romeo und Julia“ inspiriert haben soll. Vor Viola bekam Shakespeare nichts auf die Reihe. Sie wird seine Muse, dabei ist sie längst einem anderen Mann versprochen. Der Autor will sie mit einem Stück erobern, in dem er Traum und Wirklichkeit nur durch die rosa Brille zu erkennen vermag.
Weniger rosig steht es um den Jüngling, der ein herkömmliches Tongefäß auf dem Gewissen haben soll. Die Rede ist von Der zerbrochene Krug von Heinrich von Kleist, den die Freilichtspiele Südtiroler Unterland in Montan aufführen (ab 05.08., Regie: Roland Selva). In der Kammer der Jungfer Eve ist ein Krug zu Bruch gegangen. Die Mutter beschuldigt den Verlobten, doch die Wahrheit versteckt sich hinter einem Netz aus Lügen und Intrigen. Am Schluss muss Dorfrichter Adam über ein Verbrechen urteilen, das er womöglich selbst begangen hat? Das Abbild einer patriarchalen und scheinheiligen Gesellschaft.
Gruselig geht’s weiter, und zwar mit dem legendären Streifen “Shining“ von Stanley Kubrick. Aber weil man in Brixen nie einfach nur kopiert, heißt es dort Scheining im Tschumpus (bis 20.07., Regie: Dietmar Gamper). Der Platz bietet alles, was es dazu braucht: einen Ort mit zwielichtiger Vergangenheit und einen Regisseur, der zu allem bereit ist. Es fehlt noch ein übersinnliches Kind, aber auch dafür ist bald gesorgt. Die Probe für den Horror wird selbst zum Horrortrip – zwar gewohnt humorvoll, aber nichts für zarte Gemüter!
Zum Schluss ab aufs Hochplateau zu den Rittner Sommerspielen. Hier steht Acht Frauen auf dem Programm (ab 19.07., Regie: Alexander Kratzer). Vorweihnachtszeit, ein nettes Familientreffen. Doch dann liegt der Hausherr rücklings erdolcht in seinem Zimmer. Das Telefon ist tot, das Tor klemmt, das Auto streikt. Schnell wird klar: Nur eine der Anwesenden kommt als Täterin in Frage. Keine hat ein Alibi, aber ein Motiv haben sie alle. Acht Frauen mit ihren seelischen Abgründen und Verletzungen prallen aufeinander und ergeben damit eine raffinierte Mischung aus Kriminalkomödie und Psychodrama. Das Familienidyll wird zur Zerreißprobe.
[Adina Guarnieri]