Die Endlichkeit des Seins
Astrid Kofler im Gespräch über den Tod
In ihrem kürzlich erschienenen Gesprächsband „Sterben. Des Lebens heller Schatten“ schreibt Astrid Kofler über ein Thema, über das meist geschwiegen wird, über das Sterben, über den Tod.
„Schon als Kind stellte ich mir vor, wie es sei, unter dunkler Erde zu liegen“, schreiben Sie im Vorwort. Woher rührt das Interesse, sich mit der Vergänglichkeit zu beschäftigen?
Als Kind hatte ich eine völlig unaufgeregte Vorstellung vom Sterben und Totsein. Ich habe mir vorgestellt, wer am Totenbett steht oder am Grab, wer um mich weint, was ich noch vorhatte im Leben. Dieses Bild habe ich auch heute oft: Was, wenn ich morgen sterben müsste oder jetzt gleich? Kann ich sagen, dass das Leben gut war, dass es gut ist, wie es ist? Ich möchte in jedem Augenblick dazu bereit sein, das alles mir Mögliche ethisch vertretbar getan zu haben, in Frieden mit mir und den Menschen zu sein, die mich umgeben, ein Stück begleitet und mein Leben bereichert haben. Der Moraltheologe Martin M. Lintner sagt: „Sterben hat viel mit Loslassen zu tun. In einer Gesellschaft wie der unseren, in der wir uns oft durch das definieren, was wir haben oder machen, ist das oft eine große Schwierigkeit. Das Loslassen von Kindheit an ins eigene Leben zu integrieren, empfinde ich als die sinnvollste Auseinandersetzung mit dem Sterben.“ Wenn wir uns mit der Vergänglichkeit beschäftigen, so bekommt unser Leben einen tieferen Sinn, wird uns bewusster, was wirklich wichtig ist und zählt. Der Tod bringt Klarheit ins Leben.
Weshalb wird der Tod in unserer Gesellschaft nach wie vor tabuisiert?
Der Tod passt nicht in unsere Themenwelt der ewigen Jugend, des Erfolges, des reibungslosen Funktionierens. Die Menschen haben Angst vor etwas, das sie nicht lernen, der Tod ist abstrakt, nicht greifbar, anders als eine Geburt. Auch die Bibel gibt uns nicht wirklich Aufschluss darüber, was nach dem Tod mit uns geschieht. Früher war es normal, unangemeldet zu jemandem nach Hause zu gehen, wenn ein Angehöriger verstorben war, zu beten, Hilfe anzubieten. Heute wird anonym im Krankenhaus gestorben, wir kennen den Tod vor allem aus Krimis. Manche begründen dieses Tabu auch damit, dass im Ersten und Zweiten Weltkrieg so viele gestorben waren, dass der Tod als Thema ausgegrenzt werden musste, um wieder zur Ruhe zu kommen. Der Tod wurde oft als Skelett dargestellt, als etwas Gruseliges, als Mann in schwarzer Kapuze, dem man lieber nicht begegnet. Der Tod erscheint uns oft auch zutiefst ungerecht, gerade wenn Kinder sterben. Es gibt viele Gründe, den Tod zu verdrängen. Anderseits hat das Tabu schon auch eine gewisse Logik, Leben, Überleben, Weiterleben-Wollen ist ja urmenschlich.
Wie kann es gelingen, den Tod nicht als Gegner zu begreifen?
Der Tod ist kein Gegner, er ist einfach da, sobald wir geboren werden. Ich möchte nochmals Martin M. Lintner zitieren, der in seinem Interview ein Bild von Egon Schiele beschreibt, „Der Tod und das Mädchen“. Darauf sieht man eine junge Frau, die auf die Knie gesunken dem Tod in die Arme fällt. „Das Bild strahlt für mich einen tiefen Frieden aus, obwohl es zutiefst tragisch ist, dass ein so junger Mensch stirbt. Es zeigt, wie Tod und Leben miteinander ringen, dass es am Ende aber nicht Sieg und Sieger gibt. Auch der Tod ist betroffen. Mit weit geöffneten Augen umarmt er dieses Mädchen, fast als wäre er erschrocken, dass er dieses junge Leben jetzt schon in den Arm nehmen muss. In diesem Bild kommt zum Ausdruck, dass der Tod uns vom Moment der Geburt an begleitet. Franz von Assisi bezeichnet ihn als Bruder. Er ist nicht der große Gegner des Lebens, er geht mit uns und wird am Ende jeden von uns umarmen. Nicht weil er uns vernichten möchte, sondern weil er zum Leben dazugehört.“ Natürlich sollen wir nicht jeden Moment an den Tod denken. Sich beizeiten mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen, kann zweifelsohne helfen, die Angst davor zu mindern.
Fürchten Sie sich vor dem Tod?
Ich fürchte mich nicht, im Moment jedenfalls nicht. Ob ich mich dann fürchten werde, wenn es soweit ist, das kann ich jetzt nicht sagen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich viele nicht vor dem Tod fürchten, sie fürchten sich eher vor dem Sterben, dass es mit Leid und Schmerz verbunden ist, dass sie anderen zur Last fallen könnten oder dass sie nun mit einem Thema konfrontiert sind, das sie ihr Leben lang von sich geschoben haben, dass nun keine Zeit mehr ist, das und jenes zu tun.
Möchten Sie unsterblich sein?
Ein Interviewpartner sagt in diesem Buch, wie langweilig müsse es doch sein, unsterblich zu sein. Ich möchte mich seinen Worten anschließen. Es ist immer alles in Veränderung, Tod und Leben sind ein Zyklus. Egal, welchen Glauben wir haben, ob wir katholisch leben, lieber buddhistisch denken und auf eine Wiedergeburt hoffen, ich finde wir sollten die Haltung von Reisenden einnehmen, die nach Hause zurückkehren. Nach dem tibetischen Totenbuch sind wir alle mehr oder weniger Gefangene unserer Gewohnheiten, Ängste und Illusionen. Die Leiden sollten uns dazu bringen, das Ego aufzugeben, das uns den Weg zurück zu unserer göttlichen Natur versperrt. Irgendwo habe ich einmal gelesen: Fließe mit dem Leben, klammere dich nicht daran.
[Angelika Aichner]
ASTRID KOFLER, geboren 1965 in Bozen, rückt in ihrem kürzlich erschienenen Gesprächsband „Sterben. Des Lebens heller Schatten“ die Endlichkeit des Lebens, den Umgang mit Sterbenden und die Trauer danach in den Mittelpunkt. Die Buchpräsentation findet anlässlich der „Bücherwelten“ am 15. Februar um 18 Uhr im Waltherhaus von Bozen statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung unter