Schneckenhäuser und Goethes Faust
Spaßiges und Tiefgründiges auf den Bühnen des Landes
Ostern haben wir hinter uns gebracht und der Hase gönnt sich nun seine wohlverdiente Pause. Nicht so Südtirols Theater, denn hier geben sich Gäste und Produktionen die Klinke in die Hand. Lesen Sie hier, wer wann wo zu sehen ist.
Märchen neu erzählt: so lautet das Motto des Kinder-Theaterworkshops im Stadttheater Bruneck unter der Leitung von Ingrid Lechner. Durch Improvisationen und Spiele erhalten bekannte Märchenfiguren ein neues Gesicht. Ob die telefonische Pizzabestellung der Gold- und Pechmarie oder tierische Fabelwesen, die Witze zum Besten geben – bei der Schlussperformance am 17. April wird eine Sammlung dieser Erzählungen präsentiert, eingebettet in eine Abenteuergeschichte für Jung und Alt. In Wenn Schnecken hausen geht es hingegen um ein Bäumlein (20.04.). Scheinbar still steht es im Wald, doch der Schein trügt, denn zwischen Stamm und Krone tummeln sich tausende kleine Lebewesen. Eine musikalische Reise mit der Tänzerin Katharina Schwärzer und dem Zirkusartisten Amedeo Miori. Immer in Bruneck präsentieren Gianluca Iocolano und Georg Kaser Vacche Magre (11.04.), das 1926 in Südtirol spielt. Georg, ein älterer Witwer, lebt mit seiner Tochter auf einem Bauernhof. Sein Sohn ist als Kaiserjäger gefallen. Aurelio, ein junger Gemeindebeamter aus der Emilia, lebt indes erst seit Kurzem in Südtirol. Die beiden treffen aufeinander und es entspinnt sich ein anfänglich rauer, aber doch wegweisender Dialog. Vacche Magre steht übrigens auch auf dem Spielplan der Carambolage (02.-03.04.), was uns nach Bozen führt. Hier ist Berni Wagner mit „Galápagos“ zu sehen (05.-06.04.). Der österreichische Kabarettpreisträger hat ein Problem mit der Natur: Von Natur aus ist er nicht so schlau wie er gern wäre und sein Körper sieht von Natur nicht so aus wie er ihn gerne hätte. Also attackiert er die Natur – solang es sie noch gibt. „Fulminant“ und „fantastisch“, so das Fazit vom „Falter“. Mit Hart auf Hart ist dann ein hochkarätiges Duo zu Gast, das mit einer großen Portion Sprachakrobatik einen Kleinkunst-Leckerbissen zaubert (11.-12.04.). Eine Frau und ein Mann begegnen sich auf dem Spielplatz. Sie beobachten die kleinen Diktatoren im Sand und gehen dabei ohne Moralkeule heikle Themen an. Selbst oberflächliche Klischees erhalten bei ihnen Tiefgang. Und weil es draußen grünt hat auch das Improtheater Schmetterlinge im Bauch. Die „Frühlingsshow“ (16.04.) macht, was sie will. Genau wie der April: Winterdepressionen mit Mottenkugeln füttern oder über Sommersprossen auf Wolken klettern – Hauptsache Sie machen mit!
Das Theater in der Altstadt Meran zeigt Die Wand nach dem gleichnamigen Roman von Marlen Haushofer (ab 10.04., Regie: Magdalena Schwellensattl). Eine Frau wacht eines Morgens in einer Jagdhütte auf und findet sich vor einer unsichtbaren Wand wieder. Es scheint, als seien alle Lebewesen tödlich erstarrt. Die Erzählerin ist durch die Wand vor diesem Unglück geschützt und zugleich gefangen. In völliger Isolation lernt sie abseits menschlicher Nähe zurechtzukommen. Nur: für wie lang?
Sie sind nicht allein, ganz im Gegenteil, sie sind sogar zu viele. In Offene Zweierbeziehung (10.04. Waltherhaus Bozen, 11.04. Stadttheater Meran) von Dario Fo und Franca Rame will er der Ehe durch externe „Inputs“ neuen Schwung verleihen. Doch während er täglich neue Kandidatinnen anschleppt, tut sie sich schwer. Ihre Strategie: emotionale Erpressung in Form kreativer Selbstmordversuche. Als sie dann aber einen feschen Professor kennenlernt, steht er kurz vor dem Selbstmord… Ein Stück über die Scheinheiligkeit bürgerlicher Zweisamkeit. Faust hoch 2 (23.04. Kulturhaus Schlanders, 24.04. Sterzing Stadttheater) mit Thomas und Arthur Thieme, also Thieme x 2 = Faust hoch 2! Vater und Sohn stellen sich mit Notenpult und vielen Instrumenten auf die Bühne und erwecken das Monumentalwerk zu neuem Leben. Regisseurin Julia von Sell hat Faust I und II thematisch sortiert und neu zusammengefügt: Ein Faust-Kosmos in zwei Stationen, an einem Abend. Einzigartig und unberechenbar.
Die Dekadenz in Brixen präsentiert mit Gletscher (ab 04.04., Regie: Elke Hartmann) eine Eigenproduktion in der grotesken Umgebung von Hotels, Skiliften und Après-Ski-Hütten. Hier steht das Elternhaus von Destina, ein ehemaliges Hotel, in dem sie lebt und wartet, und zwar auf ihren Geliebten Hanno, der vor Jahren aufbrach, um den Gletscher im Alleingang zu besteigen. Während das Haus verfällt, dehnt sich unter den gelassenen Augen der Natur die Zeit. Kriege und Naturkatastrophen wechseln sich ab. Was bleibt, ist die gemeinsame Tochter. Auch sie wartet, sehnt sich nach dem Leben und bemerkt hauptsächlich nur dessen Vergänglichkeit. Ein märchenhaftes Theater-Duett von Maxi Obexer.
Das Ufo Bruneck zeigt Arthur und Claire von Stefan Vögel (04.04., Regie: Hans Dieter Trayer). Arthur, Sportlehrer und überzeugter Zyniker, leidet an Lungenkrebs. Er übernachtet in einem Amsterdamer Hotel und will dort ein letztes Abendessen genießen, bevor er am nächsten Morgen Sterbehilfe in Anspruch nimmt. Alles läuft nach Plan, nur die laute Musik aus dem Nachbarzimmer stört. Als Arthur sich beschwert, trifft er auf Claire, die sich gerade einen Strick um den Hals legen will. Eine Tragikomödie über ein zufälliges Zusammentreffen zweier lebensmüder Menschen – absurd, schräg und sensibel.
Zum Schluss kommen wir zu den Vereinigten Bühnen Bozen und Die Nacht so groß wie wir, einer Koproduktion mit dem Theaterpädagogischen Zentrum Brixen (ab 05.04.). „Heute entlassen wir Sie in das Erwachsenenleben“ – mit diesen Worten erhalten fünf Jugendliche das Maturazeugnis. Nun erwartet sie das wahre Leben, doch bei der Abschlussparty kommen die Freunde schnell an ihre Grenzen. Nichts ist mehr so wie vorher und plötzlich ist die Nacht viel größer, als sie. Das Stück geht auf den gleichnamigen Roman von Sarah Jäger zurück, den Eva Kuen und Benni Troi mit Südtiroler Jugendlichen für die Bühne adaptieren. Ebenfalls auf einem Buch basiert Ein ganzes Leben (ab 06.04.) von Robert Seethaler. Dieses handelt von einem Waisen, Andreas Egger, der auf dem Bergbauernhof seines Onkels häusliche Gewalt erlebt. Als junger Erwachsener schafft Andreas den Befreiungsschlag. Er zieht in eine Hütte, wird selbstständig, findet die Liebe. Dann nimmt ihm eine Lawine alles weg. Er will die Berge verlassen, doch das Leben hat was anderes mit ihm vor…
[Adina Guarnieri]