Vorhang auf für 2024
Südtirols Bühnen starten ins neue Jahr
Nach den Feiertagen im Kreise der Familie könnte ein klein wenig Abwechslung nicht schaden, zum Beispiel im Theater. Die Tage werden zwar langsam länger, aber am feinsten ist es immer noch auf den weichen Sitzen im Saal…
…des Bozner Waltherhauses, wo das Südtiroler Kulturinstitut das Stück 50 Years Mummenschanz präsentiert (9.-10.01., Regie: Floriana Frassetto). Die preisgekrönte Schweizer Formation verzaubert seit der Gründung 1972 die Welt. Wenn sie auf der Bühne stehen, wird kein Wort gesprochen. Nur mit Masken und Bewegung eröffnet sich eine neue Dimension der Bühnenkunst. Floriana Frasetto ist nach 50 Jahren immer noch die künstlerische Antriebskraft. Zum Jubiläum hat sie ein Programm mit den beliebtesten Sketchen, aber auch neuen Ideen kreiert. Lehmmasken, Klopapier-Gesichter oder luftgefüllte Riesen erwachen hier zum Leben. Spielerisch, humorvoll, zärtlich – so feiert Mummenschanz seinen runden Geburtstag. Und das Südtiroler Kulturinstitut feiert seinen anstehenden 70er gleich mit! Aber damit nicht genug, denn weiter geht es mit Die Welt ist ein Würstelstand (16.01. Kulturhaus Schlanders, 17.01. Forum Brixen) von Manuela Linshalm. Sie erzählt die Geschichte der Urwienerin Resi Resch, Betreiberin des besten Würstelstands der Stadt. Sie ist herzlich, grantig und hat auf alle Lebensfragen eine Antwort parat. Und ihre Kundschaft hat ihren Rat dringend nötig. Der Hofrat etwa, der seit dem Tod seiner Frau nicht weiß, was er mit der zweiten Wursthälfte machen soll. Oder die amerikanische Touristin, die die Lipizzaner sucht. Zu ihr kommen sie alle, vom Obdachlosen bis hin zur Immobilienmaklerin. Resi serviert jedes Würstel mit ordentlich Schlagkraft, einer Portion Pragmatismus und einer Philosophie, so scharf wie Pfefferoni.
Reichlich Pferrer hat auch das Stadttheater Bruneck mit der Eigenproduktion Shockheaded Peter, einer Junk-Oper nach Motiven aus "Der Struwwelpeter" (noch bis 06.01.). Als Meisterwerk der Angstpädagogik spukt er seit fast 180 Jahren durch die Kinderzimmer. Nun kommt er auch auf die Bühne, und zwar dank dem Kult-Musical von Phelim McDermott, Julian Crouch und Martyn Jacques von 1998, die den Moritatenbilderbogen mit brutalem Humor, traumhafter Poesie und unvergleichlichen Songs auf die Spitze treiben. Eine hinreißende Show voller Liebe, Sehnsucht und Selbstverwirklichung. Das Stadttheater Bruneck strickt daraus eine eigene Version, eine Mischung aus Schauspiel, Musiktheater und Puppenspiel, wobei das Wort ganz den „gefallenen“ Kinder-Figuren überlassen wird.
Die Carambolage in Bozen zeigt sich ebenfalls musikalisch: Sternmanie – Ein Musical zwischen Rampenlicht und Schattenseiten von und mit Martin Perkmann feiert am 12. Januar Premiere. Er war auf dem besten Weg, ein gefeierter Popstar zu werden, doch dann entschied er sich gegen die Karriere. Als Martin Perkmann 2002 das Finale der österreichischen TV-Castingshow „Starmania“ erreichte, wurde er schlagartig berühmt und galt als größte Musikhoffnung Südtirols. Doch was macht das mit einem, wenn man plötzlich im Rampenlicht steht? Und was spielt sich hinter den Kulissen einer solchen Show ab? „Sternmanie“ nimmt uns mit auf die Reise von der ersten Bewerbung über den größten Erfolgsmoment, bis hin zum Befreiungsschlag. Ein autobiografisches und intimes Musical, das Einblicke in noch nie erzählte Episoden gibt. Mit Schuld & Bühne bespielt hingegen das Improtheater die Bretter in der Streitergasse (30.01.). Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett. Genauso wenig wie der Alfred ohne seinen Hitchcock und die Agatha ohne Christie. Wenn auch Sie eine Schwäche für die dunklen Beweggründe der Menschheit haben, dann kommen Sie ins Theater! Im Gerichtssaal der Carambolage sind Sie als Geschworene live dabei, wenn es heißt: schuldig oder nicht schuldig!
In der Dekadenz in Brixen geht es um den besten Freund des Menschen. Ich, Akira ist ein komischer Theatermonolog für einen Hund (ab 13.01.). Der Mensch liebt seinen Hund. Und der Hund liebt bedingungslos zurück, denn er unterscheidet nicht zwischen arm und reich, hübsch oder hässlich. Doch verdient wirklich jeder die Liebe eines Hundes? Es geht konkret um Attila Hildmann, ehemaliger Kochbuchautor und mittlerweile Verschwörungsideologe an der Spitze einer rechtsextremen Bewegung von Corona-Leugnern. Darüber hinaus ist Hildmann Papa. Papa von Akira. Der Husky befindet sich in einer Zwickmühle und sucht Rat beim Publikum: "Ich bin heute hierhergekommen, weil ich Ihnen eine Frage stellen möchte. Es ist eine etwas heikle Frage. Deswegen kann ich sie nicht alleine beantworten. Weil ich Ihre Hilfe brauche. Wuff Wuff Wuff." Mit viel Humor gibt Peter Schorn den Husky und stellt zum Brüllen komisch seinen inneren Kampf zwischen Instinkt und Intellekt dar. Die Inszenierung von Michaela Senn verhandelt eine wichtige Frage unserer Gegenwart: Was passiert, wenn sich unsere Liebsten radikalisieren?
Metamorphosen* bei den Vereinigten Bühnen Bozen, das ist ein musikalisch-mythologisches Projekt in deutscher, italienischer und englischer Sprache (ab 20.01.). Ob im Sprachgebrauch oder in der Popkultur: Archaische Erzählungen begleiten uns tagtäglich und wirken auf unser Denken und Handeln ein. Die Südtiroler Musiker:innen Julian Angerer und Nora Pider der Popband Anger erschaffen zusammen mit Regisseur Felix Hafner und einem fünfköpfigen Schauspiel-Ensemble ein Konzert- und Theatererlebnis auf der Großen Bühne des Bozner Stadttheaters. Anger performen live aus ihrem Repertoire, aber auch aus ihrem noch unveröffentlichten Album, und stellen sich gemeinsam mit dem Schauspielensemble den großen Fragen der Menschheit.
Wer es im Dezember verpasst hat, sollte es jetzt nachholen: An der Arche um Acht ist nämlich noch bis 7. Januar im Theater in der Altstadt in Meran zu sehen (Regie: Christina Khuen). Eine Verabredung um Acht – was nach einem netten Treffen klingt, ist in Wahrheit die letzte Rettung vor der Sintflut. Eine Taube hat drei Pinguine auf die Arche Noah eingeladen. Doch sie haben ein Problem: von jeder Tierart sind immer nur zwei Exemplare erlaubt. Was passiert mit dem dritten im Bunde? Darf man einen Freund einfach so zurücklassen? Das Stück wurde von Publikum und Presse sehr gut aufgenommen und erhielt 2006 den Deutschen Kindertheaterpreis.
[Adina Guarnieri]