Vinschger Weltmusik in neuem Gewand
Die Band Flouraschworz hat ein neues Album veröffentlicht
Als “Korrnr“, sprich als Karrenzieher, bezeichnete man im Vinschgau jene Menschen, die seit dem späten 15. Jahrhundert als fahrendes Volk ohne festen Wohnsitz umherzogen und mit Handwerk und Handel ihren Lebensunterhalt bestritten. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg sind die “Korrnr“ von unseren Straßen verschwunden – nicht so aus Lyrik und Musik, und dass auch dank Flouraschworz. Hinter dem Namen verbirgt sich die wunderschöne schwarze Flora, eine Figur aus den Gedichten von Luis Stefan Stecher.
Die “Korrnrliader“
1978 veröffentlichte der Vinschger Autor Luis Stefan Stecher die erste Sammlung seiner mittlerweile legendären “Korrnrliader“. Sein Sohn, Heiner Stecher, ist Sänger und Gitarrist bei Flouraschworz. Für ihn haben diese Mundartgedichte auch heute noch enormes Potential: „Sie sind tragisch und tiefgreifend, bringen dich aber auch zum Schmunzeln. Man findet darin kleine und große Lebensweisheiten und sie haben etwas Kantiges an sich, was im Grunde nichts anderes ist als eine Liebeserklärung an die Kargheit des Vinschgaus“. Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass es sich bei den Gedichten um authentische Überlieferungen handle, doch dem ist nicht so: „Viele glauben, dass mein Vater die Lieder von den Korrnrn gesammelt hat, doch aus dieser Zeit ist nichts überliefert. Es sind Schöpfungen meines Vaters, mit denen er diesen ‘freiheitsliebenden Außenseitern Alttirols‘, wie er sie nennt, ein Denkmal setzen wollte“.
Aus Gedichten wird Musik
Bereits in den 70er-Jahren hat der Musiker Ernst Thoma die Texte für sich entdeckt und vertont. Zum 80. Geburtstag seines Vaters präsentierte dann Heiner Stecher zum ersten Mal eine musikalische Version dreier “Korrnrliader“, die er gemeinsam mit Hannes Ortler (Blas- & Tasteninstrumente), Michl Reissner (Schlagzeug & Percussion) und Franco Micheli (E-Bass) komponiert hat. Es war die Geburtsstunde von Flouraschworz. 2019 erschien das erste Album “KURZ UNT GUAT“: „Die Songs sind melodisch und gehen in die Beine. Wir kombinieren Ska, Polkas, Walzer und Kletzmermusik, gelegentlich lassen sich auch orientalische und slawische Einflüsse erkennen. Damit bringen wir auf musikalische Weise das Fremdsein zum Ausdruck, die Erfahrung der Ausgrenzung, die die Korrnr oft begleitet hat. Wir machen zeitgenössische Vinschger Musik, die nichts mit der gängigen Volksmusik zu tun hat. Dadurch holen wir die Lyrik meines Vaters in die Gegenwart“, so beschreibt Heiner Stecher den Stil von Flouraschworz.
Neues Album “FUIRROAT“
2023 haben Flouraschworz ihre zweite CD veröffentlicht. Der Titel stammt aus dem Gedicht “Prumm pinni assou taasi“, wo es heißt: „…die Pfrousln sain fuirroat, und fuirroat ischs Laap“. Vinschgerisch ist nicht nur der Titel, sondern auch das dazu gehörige Cover: „Der Künstler Jörg Hofer aus Laas hat uns eines seiner Bilder zur Verfügung gestellt. Er verwendet in seinen Arbeiten Marmorstaub, der auf der Leinwand in Kombination mit den Pigmenten ein intensives Glühen erzeugt. Weitere Verbindungen zu Laas sind meine Familie und meine Erinnerungen an die einzigartigen Bergsommer, die ich hier verbracht habe. Auch Michl Reissner und Hannes Ortler haben hier Verwandte“. Flouraschworz sind im Vinschgau tief verwurzelt, aber in der Welt zuhause. Und auf Südtirols Bühnen sind sie demnächst auch anzutreffen, so zum Beispiel am 15. März in der Bozner Carambolage.
[Adina Guarnieri]