„Stilfs ist nichts“
Filmemacher Martin Hanni über Thomas Bernhards Südtirol-Aufenthalte
Martin Hanni hat mit „Bernhard und Bernhart“ einen 30-minütigen Film über Thomas Bernhard gedreht. Dafür hat er sich gemeinsam mit dem Autor und Literaturwissenschaftler Toni Bernhart in die Ortschaften begeben, die der österreichische Schriftsteller besucht und in den Erzählungen „Midland in Stilfs“ und „Am Ortler. Nachricht aus Gomagoi“ verewigt hat.
Thomas Bernhard ist für seine Ortsbeschimpfungen bekannt. Wie war sein Verhältnis zum Suldental – und Südtirol allgemein?
„In Stilfs haben sie dich vernichtet“ oder „In der Nacht wache ich oft auf und sage zu mir: in Stilfs hast du dich vernichtet!“ oder „Stilfs ist das Lebensende. Aber sage ich, was Stilfs ist, werde ich für verrückt gehalten.“ Das sind einige Sätze aus Thomas Bernhards Buch Midland in Stilfs. Es kam vor 50 Jahren in die Buchläden. Bernhard war nachweislich dreimal in Stilfs. Einmal war er auch auf Lesetour in Bozen und Meran und besuchte anschließend erneut Stilfs.
Die beiden Erzählungen „Midland in Stilfs“ und „Am Ortler. Nachricht aus Gomagoi“ tragen die von Bernhard besuchten Orte bereits im Titel. Wie wörtlich darf man die geographischen Bezeichnungen nehmen?
Man kann sie ruhig wörtlich nehmen, da davon ausgegangen werden kann, dass Bernhard insbesondere der Klang der Orts- und Flurnamen interessierte. Ein gutes Beispiel ist das Gasthaus Laganda, dass er beispielsweise im Text „Am Ortler“ mantramäßig wiederkehren lässt, bis einer der beiden Brüder wahnsinnig wird.
Der Mikrokosmos einer Berggemeinschaft scheint auf Schriftsteller eine besondere Anziehung zu haben. Wie wird Stilfs bei Bernhard charakterisiert?
Da kann ich am besten wieder Bernhard zitieren: „Stilfs ist nichts als Mauerwerk, Fels, Luft des Unsinns. Stilfs ist nichts. Und die Leute kommen her¬auf und sagen uns, was Stilfs sei.“ Das ist ein wunderbarer Bernhard-Satz, dem ist nichts hinzuzufügen.
Wie kamst du zum Vorhaben, über Bernhards Südtirol-Aufenthalte einen Film zu drehen? Kam die Idee gemeinsam mit Toni Bernhart auf?
Nein. Mich hat vor vielen Jahren ein Studienkollege auf das Buch Midland in Stilfs hingewiesen. Ich hab dann etwas recherchiert, aber kaum Informationen zu seinem Aufenthalt in Stilfs finden können. Irgendwann dachte ich mir, ich lasse einfach den Beinahe-Namensvetter Toni Bernhart – er stammt aus der Nachbargemeinde Prad – durch den Film führen – in Hochsprache und Dialekt. Sehr überrascht war ich darüber, dass Toni bereits in den 1990er Jahren zum Bernhard-Thema eine Magisterarbeit verfasst hat.
Und wann hast du deinen ersten Thomas Bernhard gelesen?
Das war wohl das Schauspiel „Der Theatermacher“, irgendwann in den 1990ern auf der Zugfahrt Innsbruck-Bozen. Ich bin da aus dem Zug ausgestiegen und war etwas verstört. Im (für mich) positiven Sinne.
Normalerweise gibt es zwischen Verehrung und Geringschätzung dieses Schriftstellers nichts dazwischen. Wie ist es bei dir?
Ich bin wohl nicht „normalerweise“.
[Teseo La Marca]
ZUR PERSON
Martin Hanni wurde 1975 in Bozen geboren und ist in Eppan aufgewachsen. Er hat in Innsbruck Geschichte studiert und arbeitet als Kulturvermittler, Filmemacher und Autor.