„Techno lässt sich nicht reproduzieren“
Bart van der Heide über eine ungewöhnliche Museion-Ausstellung
Noch bis zum 16. März steht das ganze Museion im Zeichen einer vielschichtigen Ausstellung über Techno. Die Ausstellung stellt die Techno-Erfahrung in den Mittelpunkt, die hier zu einem Objektiv wird, durch das zeitgenössisches Leben und soziale Ordnung erfasst werden. Initiiert hat sie der Museion-Direktor Bart van der Heide, der selbst der Techno-Szene angehörte.
Beim Begriff Techno denkt man vor allem an Rave Partys und dumpfe Bässe. Steht die Musik bei dieser Ausstellung im Mittelpunkt?
TECHNO ist im Museion ein vielschichtiges Projekt: In Anlehnung an die Geschichte der Techno-Clubs in Städten wie Detroit, Manchester oder Berlin, die häufig in ehemaligen Fabrikgebäuden eröffnet wurden, bespielten wir im Rahmen der Ausstellung ein Wasserkraftwerk aus den 1920er Jahren. Isabelle Lewis präsentierte dort ihr Projekt „Day Rave“ und lud dazu befreundete Künstlerinnen und Künstler nach Bozen ein. In Zusammenarbeit mit internationalen DJs und Produzenten bieten wir ein Podcast-Programm über Techno und Playlists mit Techno-Musik an. Aber natürlich kann eine Kunstausstellung das Techno-Erlebnis nicht reproduzieren. Was Kunst allerdings zeigen kann, ist Komplexität. Deshalb gibt es hier verschiedene Ebenen, von der Kunst bis zum Diskurs über Techno, von Day Raves bis zu einer Anthologie mit kritischen Texten.
Hat sich Techno während der COVID-19-Pandemie verändert?
Die Pandemie hat ein neues Licht auf eine milliardenschwere Musikindustrie geworfen, die Techno eben auch ist. Als Covid-19 zu einer Art Metapher für Globalisierung und Entgrenzung wurde, rückten auch Themen wie Ungleichheit, Ausbeutung und Freizügigkeit verstärkt in unser Bewusstsein. Die Texte in der Anthologie sind während des ersten Lockdowns entstanden. Anna Greenspan befasst sich mit der Verbindung zwischen Techno, dem Virus und globalen Metropolen. Caroline Busta und Lil Internet schreiben darüber, wie sich im Lockdown halbprivate Peer-to-Peer-Gemeinschaften innerhalb der Techno-Community entwickelten. Diese Formen stellen einen Gegenpol zur kapitalistischen Maschinerie dar, zu der Techno geworden ist. Es gibt also Alternativen.
Welche Erinnerungen stellen sich bei Ihnen persönlich ein, wenn Sie an Techno denken?
Seit ich 14 Jahre alt war, war ich in der Techno-Szene. Ich bin im Norden der Niederlande aufgewachsen und damals, in den späten 1980er Jahren, gab es dort viel Detroit -und Acid-Techno. Das heißt, in der Musik gab es keinen Gesang, sondern nur 120 Beats pro Minute.
Wie entwickelte sich Techno von einer Subkultur zum Mainstream?
Die Techno-Erfahrung, über die wir hier sprechen, findet bereits in einer Zeit statt, in der Techno zum Mainstream wird. Der Aufstieg von Techno vollzieht sich in den späten 1980er-Jahren parallel zum Aufstieg des globalen Freihandels und der De-Industrialisierung. In dieser Zeit treten riesige Raves gleichzeitig mit dem Wandel von der Produktions- zur Dienstleistungswirtschaft auf.
Was dürfen Besucher sich von der Ausstellung erwarten?
Im Erdgeschoss skizziert ein mögliches Südtiroler Techno-Archiv ein Netzwerk aus lokalen Techno-Communities. Damit unterstreicht TECHNO die Funktion urbaner Kultur als Motor für soziale und kulturelle Veränderung. In den oberen Stockwerken konzentriert sich die Ausstellung auf die für das Techno-Erlebnis zentralen Themenbereiche „Freiheit“, „Kompression“ und „Erschöpfung“. Allerdings wird „Freiheit“ hier als grenzenlose Vernetzung mit Informations- und Bewusstseinsströmen in physischen und virtuellen Welten erfahren. Die Kunstwerke in diesem Bereich erfassen daher einen Bewusstseinszustand, der von einem Geflecht aus Abhängigkeiten geprägt ist, in dem sich das individuelle Ego – wie die geisterhaften Gestalten von Sandra Mujinga – aufzulösen scheint. Der technische Begriff „Kompression“ im zweiten Ausstellungsbereich führt in die Welt der Daten und Algorithmen. Der Kreislauf von Euphorie, Erschöpfung und Regeneration ist in der Techno-Szene, wie auch in einer von Nachfrage und Angebot getriebenen Wirtschaft, unendlich. Die Arbeiten im Bereich „Erschöpfung“ konzentrieren sich daher auf Loops und Zyklen – wie die Installation „Children“ von Ghislaine Leung.
[Teseo La Marca]