Intensive Kraft: Die Welt der Andrea Varesco
Die Kalterer Künstlerin im Gespräch über ihr Wirken und Arbeiten
Wenn Andrea Varesco den Spachtel aufsetzt, dann entstehen dabei nicht nur leuchtende Flächen, sondern regelrechte Farbströme, die sich zuweilen dank ihrer Üppigkeit bis ins Dreidimensionale entwickeln.
Den meisten ist die Künstlerin durch ihre abstrakten Kompositionen bekannt, dabei arbeitet sie in ihrem Atelier an einer Vielzahl unterschiedlicher Werkgruppen, die von Malerei über Grafik bis hin zur Kunst am Bau reichen. Freude am Experimentieren und Authentizität sind Andrea Varesco dabei besonders wichtig. Aber lesen Sie selbst.
Andrea, mit welchen drei Adjektiven könnte man dein Schaffen beschreiben und wieso?
Dynamisch-eindrücklich; selbstreferenziell-authentisch; körperhaft-präsent: Weil meines Erachtens diese Adjektive meine Arbeiten, die vitale Lebendigkeit ausstrahlen, treffend beschreiben. Leuchtende Farben und dicht gespachtelte Farbmassen erzeugen Kraft, Dynamik und räumliche Präsenz. Allein auf sich selbst bezogen, befreit sich diese Malerei von jedem außerbildlichen Kontext. Letzten Endes geht es aber um mehr als nur um Oberfläche, Farbe und Form. Ich erschaffe mit Farbe neue Wirklichkeiten. Peter Funken schrieb in einem Katalog: „Demnach führt hier das Ereignis künstlerischer Bildherstellung zu einer konkreten Realität des Bildes.“ Der Betrachter bleibt jedoch frei in seiner Entscheidung, was er mit dieser Malerei verbinden oder erinnern möchte.
Du bist in vielen Genres zu Hause, arbeitest aber fast ausschließlich abstrakt. Was ist für dich der Reiz am Gegenstandslosen?
Dass mich nichts vom Wesentlichen, vom Entstehungsprozess, der im Vordergrund steht, ablenkt. Der Malprozess wird dabei selbst zum Gegenstand. Nichts führt mich davon fort. Das bedeutet absolute Freiheit. Farbe, Bildträger und Raum treten in ein spannungsreiches Verhältnis und Malerei wird zum Ereignis: Es geht um den körperlichen, physischen Einsatz und um das Reagieren auf das, was sich im handwerklichen Malprozess ergibt. Das Ergebnis sind Ströme und Energien, die sich freisetzen und Farbe als sinnliches Erleben wahrnehmbar und erfahrbar machen.
Vom Postkartenformat über mehrere Quadratmeter bis hin zur Kunst am Bau: Du probierst dich gerne aus?
Ja, denn das stellt mich immer wieder vor eine neue, spannende Herausforderung. Ich muss den Schalter umsetzten, umdisponieren, mich in der Umsetzung neu auf Disposition bringen.
Welche sind deine bevorzugten Arbeitsmaterialien?
Klassische Werkzeuge der Malerei: Farben, mal dünnflüssig, mal materialschwer verwendet. Auf Bildträger gespannte Leinwände, Pinsel und Spachtel unterschiedlicher Formgebung und Größe. Ebenso werden bei Bedarf großflächige Bildträger für den Außenbereich entwickelt und es kommen auch digitale Medien zum Einsatz.
Du hast auch Künstlerbücher veröffentlicht. Wie war für dich die Begegnung zwischen dem geschriebenen Wort und deiner Kunst?
Eine spannende, weil auch hier im Endergebnis stets etwas Rätselhaftes, Unvorhersehbares in den Vordergrund tritt. Im Transformationsprozess vom Wort zum Bild eröffnen sich überraschende Wahrnehmungen und Erkenntnisse.
Was wünschst du dir für 2021?
Wieder vermehrt Perspektiven für Leben und Kunst.
[Adina Guarnieri]
ZUR PERSON:
Andrea Varesco (*1957 Montan) hat an der Kunstakademie „Brera“ in Mailand studiert, es folgten zahlreiche Teilnahmen an Ausstellungen, Symposien, Kunstprojekten und Seminaren. Bibliophile Kassetteneditionen und Künstlerbücher mit Radierungen entstanden u.a. zu Georg Trakl, Klaus Menapace, Emily Dickinson und Rainer Maria Rilke.