„Wir haben eine gute Streitkultur“
Die Autorinnen von „Die Glühbirne“ über das Schreiben als Kollektiv
Sie nennen sich „Die Glühbirne“ und haben mit „In die klare Luft springen“ ihren ersten gemeinsamen Band bei der Edition Raetia veröffentlicht. Dahinter stehen vier junge Autorinnen: Anna Maria Parteli, Nadia Unterfrauner, Carmen Ramoser, Nadia Rungger und Magdalena Ferdigg.
Woher kommt der Name „Die Glühbirne“?
Anna Maria Parteli: Der Name ist im Winter 2016 entstanden, als wir noch ein Schreibprojekt unter der Leitung von Arno Dejaco hatten. Er leitete zu dieser Zeit eine Schreibwerkstatt, die von den Bibliotheken der Brixner Oberschulen ausging, und bei dem von mehreren Schüler*innen nur wir fünf bis zur finalen Lesung dabeigeblieben sind. Wir brauchten also einen Namen, unter dem wir bei dieser Veranstaltung auftreten würden. Magdalena hat das Bild der Glühbirne in die Runde gebracht.
Nadia Rungger: Im Rahmen des Projekts haben wir eine Aktion gestartet: Wir haben unsere Gedichte auf kleinen bunten Zetteln gedruckt und verteilt, überall: in Cornflakespackungen, Jackentaschen usw. Wir wollten mit unseren Gedichten zufällige Leserinnen und Leser überraschen – und so die Literatur in den Alltag bringen. Die Aktion hat Spaß gemacht, der Name ist geblieben.
Bei euch treffen ja sehr verschiedene literarische Stimmen aufeinander. Wer steht für was?
AMP: Jede von uns bringt andere Standpunkte in die Gruppe mit ein. Verschiedene Themen, verschiedene Genres, verschiedene Sprachen. Nadia Unterfrauner ist mit dem Schreiben und Veröffentlichen langer Romantexte erprobt, Carmen Ramoser hat eine Vorliebe fürs Phantastische. Ich stehe für das Wort, das in der Musik lebt, für den Rhythmus, Nadia Rungger ist eine sehr besondere Erzählerin und spielt gern mit Sprache, Magdalena Ferdigg hat ein Auge für Farben und Stimmungen.
Gibt es manchmal auch Dissonanzen?
NR: Es gibt immer Dissonanzen. Gerade die sind spannend.
AMP: Ich glaube, hier gilt der Grundsatz „Ohne Dissonanzen keine Harmonie“. Wir sind oft unterschiedlicher Meinung und haben mittlerweile auch eine gute Streitkultur in der Gruppe entwickelt, zum Beispiel wenn es darum geht, wie wir Projekte angehen möchten.
„Die Glühbirne“ klingt wie eine modernere Version von „Die Fackel“. Geht es euch – wie bei Karl Kraus – auch um Gesellschaftskritik?
AMP: Wir sind zwar ein Kollektiv, haben aber nicht den Anspruch, beim Schreiben eine Linie oder ein Ziel zu verfolgen. Ich würde nicht sagen, dass zum jetzigen Zeitpunkt Gesellschaftskritik auf unserer Agenda steht – zumindest nicht direkt. Vielleicht im Kleinen, in einzelnen Texten.
NR: Jede von uns schreibt anders – und nicht jeder Text ist gleich kritisch. Worte können einem den Boden unter den Füßen wegreißen und gleichzeitig kann die Poesie auf ihre Weise zum Weiterdenken anregen, überraschen und neue Perspektiven aufzeigen – die auch als Kritik am Bestehenden verstanden werden können.
Ist es in Südtirol schwierig, als junge*r Autor*in Fuß zu fassen?
NR: Wir haben von der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung SAAV viel Unterstützung für die erste gemeinsame Buchveröffentlichung erhalten, was uns sehr gefreut hat. Es gibt verschiedene Formate für junge Autor*innen, etwa Literaturwettbewerbe oder Poetry-Slams. Ich habe das Gefühl, als Autorin ernst genommen zu werden – ob ich nun jung bin oder nicht – und das ist gut so. Es ist aber nicht so, dass die Literatur sich auf Südtirol beschränkt – ich bin zum Beispiel auch in Graz, wo ich studiere, literarisch aktiv. Dieses „Fuß fassen“ ist ein Prozess, der sowohl mit der Umgebung als auch mit dem Selbstverständnis als Autorin zusammenhängt.
Was habt ihr gemeinsam noch vor?
AMP: Im Moment planen wir Buchvorstellungen, bei denen unsere erste Anthologie „In die klare Luft springen“ ihre Bühne bekommt. Wie eine Album-Tour sozusagen. Wir freuen uns darauf, den Gästen nach Lesungen etwas in die Hand geben zu können, einen Ort, an dem man die Texte nachlesen kann.
NR: Und, wenn ich das verraten darf: Es bleibt nicht beim geschriebenen Wort. Die Erzählungen und Gedichte werden einen weiteren Weg zu Ihnen finden – als Hörbuch!
[Teseo La Marca]
Die Glühbirne ist ein Autorinnenkollektiv aus Südtirol, bestehend aus Magdalena Ferdigg, Anna Maria Parteli, Carmen Ramoser, Nadia Rungger und Nadia Unterfrauner. Es entstand 2016 aus einem Schreibprojekt der Brixner Oberschulen unter der Leitung von Arno Dejaco. Das Kollektiv veranstaltet Lesungen mit selbst geschriebener Prosa und Lyrik, musikalisch umrahmt von vertonten Texten. Größtenteils schreiben die Autorinnen auf Deutsch, doch sie schöpfen auch aus dem Englischen, Ladinischen, Italienischen und dem Südtiroler Dialekt. „Die Glühbirne“ zeichnet sich durch Experimentierfreudigkeit, Frische und eine Bandbreite an Themen in traditionellen bis originellen Textformen aus. 2020 erschien die erste Anthologie des Kollektivs bei der Edition Raetia.