Völlig losgelöst von der Erde…
Das Bozner Duo „Satelliti“ kurz vor dem Start in die Umlaufbahn
Andrea Polato (Schlagzeug) und Marco Dalle Luche (Keyboard) sind seit 2010 erfolgreich als „Satelliti” im In- und Ausland unterwegs. Ein Gespräch über musikalische Weltraumreisen.
In letzter Zeit war es still um euch. Wart ihr in fremden Galaxien unterwegs?
Wie viele andere mussten wir aufgrund des Veranstaltungsstopps eine Pause einlegen. Dennoch haben wir im Oktober letzten Jahres ein tolles Konzert bei den Leipziger Jazz Tagen spielen dürfen, und zum Jahresende haben wir in Bozen eines unserer Konzerte in Streaming übertragen. Statt in fremden Galaxien unterwegs zu sein, sind wir in vertraute Gefilde zurückgekehrt, wir werden aber von hier aus wieder auf weite Reisen gehen.
Steht ein neues Projekt in Aussicht?
Aktuell beschäftigen wir uns nicht unbedingt mit neuen Projekten, eher experimentieren wir mit neuen Rhythmen, Harmonien, Klangstrukturen, und versuchen dabei das Gleichgewicht zwischen Mensch und Maschine beizubehalten. In Kürze werden wir die Liveaufnahme vom 19. Dezember 2020 veröffentlichen, wir sind gerade noch am Mixen. Es ist eines unserer besten und tiefgründigsten Konzerte.
Hat sich eure Musik im Laufe des letzten Jahrzehnts verändert?
Definitiv! Wir sind sozusagen am vierten Mond angelangt. Unser erster Mond, das Album „Im Magen des Kosmos“, war wie ein Sonnenaufgang, eine Geburt. „Transister“ war hingegen ein Bekenntnis zum Dasein, vergleichbar mit jenen bewussten Entscheidungen, die einen wichtigen Lebensabschnitt einläuten, alles hinterfragen und wo man oftmals auch kurz davorsteht, alles aufzugeben. Diesem „Mond“ können wir kein konkretes Album, kein wirkliches Beweisfoto zuordnen, denn das Ergebnis ist eher eine Art weitläufige Sprache, dank der wir immer noch imstande sind, mit offenen Augen zu träumen.
Ihr vergleicht eure Musik mit einer Reise. Was meint ihr damit?
Wenn wir Musik machen, dann basiert diese auf einem Gleichgewicht zwischen Instinkt und Gehör, wie es im Jazz der Fall ist, aber da ist es meist nichts Besonderes. Ein „wahrer“ Musiker ist immer ein Reisender. Die Art der Reise hängt davon ab, wie diese organisiert worden ist: wir brechen auf, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben; wir wollen nirgends stehenbleiben – wir tun uns deshalb immer schwer, ein gutes Finale für unsere Kompositionen zu finden – und wollen die Erfahrung auskosten. Wenn wir einen Instagram-Account hätten, würde ich ein Foto von uns in Badehose am Strand mit den folgenden Worten von Marcel Proust betiteln: „Die wirkliche Entdeckungsreise besteht nicht im Kennenlernen neuer Landschaften, sondern darin, etwas mit anderen Augen zu sehen“.
Eure Musik ist instrumental: Zufall oder eine bewusste Entscheidung?
Darauf eine Gegenfrage: „Gehören Zwiebel in die Carbonara?“. Unser „Rezept“ lautet wie folgt…des Öfteren haben wir überlegt, und manchmal ist es auch passiert, mit Gesang oder anderen Instrumenten zu arbeiten. Aber unsere Stärke liegt darin, dass wir sehr essenziell arbeiten und es den Ohren der Zuhörer überlassen, das Unhörbare wahrzunehmen.
Seit 2013 habt ihr keine neuen Alben produziert. Was bringt die Zukunft?
Die Liveaufnahme, die in Kürze erscheint, enthält auch zwei unveröffentlichte Kompositionen, von denen eine bescheidene 15 Minuten lang ist. Wer unser Repertoire kennt, wird darin gleich neue Arrangements ausmachen, die wegweisend sind für die Richtung, in die wir uns bewegen. Wir arbeiten auch an neuen Visuals, weil wir bei unseren Liveauftritten Musik und Videoinstallationen kombinieren möchten, ähnlich dem, was wir zu Beginn gemeinsam mit dem Künstler Mike Fedrizzi gemacht haben. Wir als „Satelliti“ sind mehr daran interessiert, 1.000 Konzerte zu spielen, anstatt 1.000 Alben zu verkaufen.
[Adina Guarnieri]