1525 – Ruf nach Wandel und Gerechtigkeit
Der Bauernaufstand neu betrachtet in der Hofburg Brixen
Vor 500 Jahren erhob sich die bäuerliche Bevölkerung in Tirol gegen soziale Ungerechtigkeit und politische Willkür. Aus Anlass dieses historischen Wendepunkts widmet sich die Hofburg Brixen in der Ausstellung „1525–2025: Einbruch–Umbruch–Aufbruch“ den Ursachen, Dynamiken und Folgen des Bauernaufstands.
Kathrin Zitturi, Kuratorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hofburg Brixen, erläutert im Interview, wie das Thema dargestellt wird und warum es heute aktueller ist denn je.
Wie vermittelt die Ausstellung die Geschichte des Bauernaufstands von 1525?
Die Ausstellung zeigt in drei Themenbereichen, dass der Aufstand von 1525 das Ergebnis langanhaltender sozialer, politischer und religiöser Spannungen war. Sie beleuchtet die Verhältnisse um 1500, zentrale Ereignisse, Hauptakteure und die gewaltsame Niederschlagung – mit Fokus auf Konflikte und deren Folgen. Insgesamt wird deutlich, dass das frühe 16. Jh von tiefgreifendem Wandel geprägt war: Einbruch in bestehende Machtverhältnisse, Umbruch gesellschaftlicher Strukturen, Aufbruch zu neuen Denkweisen und sozialen Modellen. Interaktive Elemente wie Touchscreens und QR-Audiosequenzen bieten vertiefte Einblicke in persönliche Geschichten und machen den Wandel erlebbar.
Welche Spannungen führten 1525 zur Eskalation?
Im frühen 16. Jh führten neue Silberfunde in Tirol zu Arbeitskonkurrenz und ersten Konflikten, v. a. unter Knappen aus dem bäuerlichen Umfeld. Gleichzeitig litten viele unter steigenden Abgaben, sinkendem Lebensstandard und wachsender Ungleichheit, während Kirche und Adel ihre Privilegien ausbauten. Reformatorische Ideen stärkten den Ruf nach Gerechtigkeit. Eingriffe in Nutzungsrechte und ein uneinheitliches Rechtssystem verschärften die Lage. Die Revolte spiegelte tiefe gesellschaftliche Spannungen und ein wachsendes politisches Bewusstsein wider.
Michael Gaismair führte die Revolte an: Wer war er, und wie wird seine Persönlichkeit in dieser Ausstellung dargestellt?
Michael Gaismair war eine zentrale Figur im Tiroler Bauernkrieg. Einst Sekretär des Brixner Fürstbischofs, wurde er zu einem entschlossenen Gegner der feudalen Ordnung. Die Ausstellung zeigt ihn als visionäre, politisch denkende Figur mit starkem Gerechtigkeitssinn – nicht als Helden, sondern als frühen Vordenker demokratischer Regierungskonzepte. Sein gewaltsamer Tod im Exil lassen ihn heute als eine frühe, doch wenig beachtete Symbolfigur sozialen Widerstands erscheinen.
Obwohl sie in verschiedenen Zeiten lebten: Warum ist Gaismair weniger bekannt als Andreas Hofer? Ist er ein „vergessener Held“?
Tatsächlich könnte Gaismair als „vergessener Held“ bezeichnet werden, dessen gesellschaftskritische Ideen lange im Schatten regionaler Erzähltraditionen standen. Anders als Hofer, der als Symbolfigur des Tiroler Widerstands gegen Napoleon in ein heroisch-patriotisches Narrativ eingebunden wurde, waren Gaismairs Forderungen – wie soziale Gerechtigkeit und Trennung von Kirche und Staat – ihrer Zeit weit voraus, sowie zu radikal für spätere Traditionsbildungen. Die Ausstellung würdigt ihn heute als bedeutende, aber bislang marginalisierte Figur.
Welche Parallelen sehen Sie zwischen den sozialen Umbrüchen von damals und den heutigen Herausforderungen?
Die Umbrüche des frühen 16. Jhs ähneln heutigen Herausforderungen in vieler Hinsicht: soziale Ungleichheit, wirtschaftliche Ausgrenzung und politische Ohnmacht prägen beide Epochen. Wie 1525 entstehen auch heute Proteste als Reaktion auf strukturelle Ungerechtigkeit und fehlende Mitbestimmung. Die Ausstellung zeigt, dass gesellschaftlicher Wandel sensible und inklusive Reformprozesse braucht – und dass Protest auch Ausdruck des Wunsches nach Gerechtigkeit und Partizipation ist.
Was werden die Besucher*innen dieser Ausstellung mitnehmen?
Ein vertieftes Verständnis der sozialen und politischen Strukturen des 16. Jhs. Erkennen, dass Geschichte uns auch heute betrifft. Die Verbindung zur Gegenwart lädt dazu ein, eigene Handlungsspielräume zu erkennen und nachzudenken, wie historische Erfahrungen zu einer gerechteren Zukunft beitragen können.
[Fabian Daum]
Was: „1525-2025. Einbruch-Umbruch-Aufbruch”
Wo: Hofburg Brixen, Hofburgplatz 2, Brixen
Wann: bis 31. August 2025; alle Tage, 10:00-18:30 Uhr.
Im September 2025 folgt ein zweiter Teil der Ausstellung mit zeitgenössischen Arbeiten von Robert und Johannes Bosisio, die aktuelle soziale und politische Fragen aufgreifen.
Info & Kontakt: www.hofburg.it ~