Es geht wieder los!
Das deutschsprachige Theater im Oktober

Sommer, Sonne und Strand sind nun endgültig vorbei. Aber Trübsal blasen wir deshalb nicht, schließlich starten Südtirols Bühnen nach der Sommerpause wieder so richtig durch. Shakespeare steht gleich zweimal auf dem Programm, aber auch sonst liegt die Latte hoch, denn auch Renè Benko, Michael Gaismair und ein seltsames Bild beflügeln die Phantasie. Hier erfahren Sie, was man im Oktober auf keinen Fall verpassen sollte.
Als erstes schauen wir ins Stadttheater Bruneck, wo bis 12. Oktober die Eigenproduktion „Hamlet oder was ist hier die Frage“ zu sehen ist. Der österreichische Kultautor Franzobel verwandelt Shakespeares Tragödie in eine schrille Komödie, Regie führt Torsten Schilling. In dieser Version ist Hamlet nicht der Prinz von Dänemark, nein, dieser Hamlet heißt Herbert und ist der Sprössling einer wohlsituierten, aber fragwürdigen Wiener Kunsthändlerdynastie. Und die Wiener Schickeria von heute hat einiges gemeinsam mit dem dänischen Königspalast von 1600: es geht nämlich um nichts Anderes als Macht, Geld und Liebe. Ein Abend zum Totlachen für Jung und Alt, live begleitet von Hubert Dorigatti und seinem Blues.
Ebenfalls Shakespeare, und zwar „König Lear“, zeigen bis November die Vereinigten Bühnen Bozen. Der König will sein Erbe auf die drei Töchter aufteilen und fordert dafür eine Bekundung ihrer Liebe. Die Jüngste verweigert die öffentliche Liebeserklärung und wird enterbt. Daraufhin entziehen die anderen dem Vater die Macht und besiegeln damit seinen Untergang: Gewalt, Chaos, Wahnsinn und Intrigen beherrschen nun das Leben von König Lear. Kiki Miru Miroslava Svolikova hat das 1606 uraufgeführte Stück kongenial ins Heute übersetzt und Regisseur Rudolf Frey stellt sich mit dem Ensemble aktuelle Fragen: Warum ist es so schwer, loszulassen? Was wollen wir weitergeben? Und wie sieht unser Morgen aus?
Tragikomisch wird es in der Carambolage in der Bozner Silbergasse mit „Nachtland“ von Marius von Mayenburg (ab 03.10., Regie: Christian Mair). Die Handlung kreist um ein ominöses Bild, das Nicola und Philipp nach dem Tod ihres Vaters auf dem Dachboden finden. Signiert ist es mit „A. Hiller.“, oder vielleicht doch „A. Hitler”? Das würde ja den Wert ungemein steigern! Doch die Provenienz ist unbekannt, weshalb sich das Bild nie und nimmer gewinnbringend verkaufen lässt… Während die jüdische Schwägerin entschieden für die Zerstörung des Werks plädiert, erforschen Nicola und Philipp fieberhaft die Familiengeschichte. Oder konstruieren sie eine neue? Im Anschluss, an Halloween, rockt dann wieder das berühmtberüchtigte Improtheater die Bühne (31.10.). Stellen Sie die Kürbisse ins Fenster und pfeifen Sie auf Ihre Schokoladenseite – heute dürfen Sie all ihre dunklen Gedanken auf die Bühne des Grauens werfen. Die Truppe braut daraus die schönsten Albträume, und die sind fast so gruselig wie die Wirklichkeit!
In der Dekadenz im historischen Brixner Stadtteil Stufels hat sich Florian Hacke angekündigt mit seinem Kabarett „Authentischkeit“ (05.10., Vorspiel Seamus Wimhurst). Immer heißt es: „Sei einfach du selbst!“ Aber was, wenn man nur müdes Mittelmaß ist? Authentizität klingt gut – entpuppt sich aber oft als Enttäuschung. Auch Florian Hacke hat lange versucht, er selbst zu sein. Doch mit drei kleinen Kindern fehlt ihm nun die Kraft für Lebenslügen. „Authentischkeit“ gibt uns die Chance, einen Abend lang das Wrack zu sein, das uns jeden Morgen aus dem Spiegel entgegenblickt: Ohne Anspruch, aber mit Sekt. Nach Hacke ist die allseits bekannte und beliebte Ingrid Lechner mit „B-Trieb“ an der Reihe (12., 15.10.). Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Sie kann ausrechnen, umlegen und abwickeln, aber auch rummotzen und zusammenkrachen. Anders gesagt: sie ist Managerin. Zumindest war sie das mal. Und das fliegt nun dem werten Publikum um die Ohren. Motzen können auch sie: Die Grantler, alias Wolfgang Mayr und Hans Heiss (28.10.). Zwei „alte weiße Männer“, die nichts unkommentiert lassen. Sie werfen einen messerscharfen Blick auf Politik und Gesellschaft und treffen genau da, wo’s weh tut. Sie graben sich durch Archive und Hintergründe und pflücken jedes Argument auseinander, bis nur noch die nackte Wahrheit übrigbleibt. Und: In jeder Live-Show holen sie sich einen Gast dazu, der mitgrantelt, oder widerspricht, oder sich fragt, wie er oder sie eigentlich hier gelandet ist.
Das Südtiroler Kulturinstitut bringt im Oktober gleich drei Gastspiele ins Land. Den Anfang macht „Sie sagt. Er sagt.“ von Ferdinand von Schirach (1.-02.10., Waltherhaus Bozen). Eine erfolgreiche Frau beginnt eine Affäre mit einem ebenfalls erfolgreichen Mann. Beide sind verheiratet und haben Kinder, es geht einige Jahre, dann trennen sie sich einvernehmlich. Doch irgendwann führt sie der Zufall wieder zusammen. Es kommt zum Geschlechtsverkehr, doch sie behauptet, er sei nicht einvernehmlich gewesen. Er streitet dies ab und es kommt zum Prozess: Ein Thema, das sei es die Justiz als auch die Gesellschaft herausfordert. Um die Pleite der Signa-Gruppe geht es in „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ (14.10. Forum Brixen, 15.10. Kulturhaus Schlanders, 16.10. Stadttheater Meran). Die Insolvenz seines Konzerns ist die größte Pleite der zweiten Republik und auch in Deutschland und Italien hinterlässt der Selfmade-Milliardär einen Scherbenhaufen. Gemeinsam mit der investigativen Redaktion DOSSIER schaut Autor und Regisseur Calle Fuhr hinter die Fassade des Systems, das einen René Benko erst ermöglichte. „Hemingways Liebeshöllen“ widmet sich indes der Liaison zwischen dem in dritter Ehe verheirateten Autor und Marlene Dietrich (24.10. Stadttheater Sterzing). Die intensive Beziehung der beiden, die sich bis zu Hemingways Suizid zog, blieb weitgehend unbekannt. In Texten und Liedern spüren Sona MacDonald und Johannes Krisch ihrer Liebe nach: „Hemingway und Marlene waren sich sehr ähnlich, beide weltberühmt, aber im Grunde ihres Herzens zutiefst verunsicherte Menschen“, so MacDonald.
Das Theater in der Altstadt in Meran widmet sich im Jubiläumsjahr der Figur von Michael Gaismair und es tut dies mit dem Stück „Gaismair“ aus der Feder von Felix Mitterer in einer Bearbeitung von Selma Mahlknecht (ab 09.10.). Ein eindrucksvolles Volksschauspiel und ein dichter Abend zwischen Geschichtsschreibung, Revolten und Menschenrechten. 500 Jahre nach den Bauernkriegen scheinen die Ideale und die Forderungen von damals aktueller denn je. Anlässlich des Stücks wird am 14. Oktober Philipp Tolloi vom Südtiroler Landesarchiv im TidA einen Vortrag halten über die Rezeptionsgeschichte von Gaismair.
[Adina Guarnieri]
















































































































































































