Der Sommer kann kommen!
Freilichttheater in Südtirol – was, wann, wo
Sie gehören zur warmen Jahreszeit wie der Glühwein zum Winter: Das Land ist reich an Freilichtbühnen, die sich jedes Jahr erneut ins Zeug legen, um den Theatergenuss unter freiem Himmel in ein unvergessliches Erlebnis zu verwandeln.
Beginnen wir bei den Freilichtspielen Südtiroler Unterland, wo ein historischer Wechsel stattgefunden hat. Regisseur Roland Selva ist 2024 in den Ruhestand gegangen und hat „nur“ noch die Rolle des künstlerischen Leiters über. Regie führt nun Torsten Schilling und er inszeniert im Klösterle in St. Florian William Shakespeares letztes Stück “Der Sturm“ (ab 05.08.), das an der Schnittstelle von Politdrama und Romanze angesiedelt ist. Nach einer Verschwörung flüchtet Prospero auf eine einsame Insel. Als das Schiff des Königs von Neapel vorüberreist, beschwört Prospero aus Rache einen heftigen Sturm herauf. Die Gesellschaft rettet sich ans Ufer, wo ein arglistiges Spiel beginnt. Doch am Ende siegt die Hoffnung – eine Hoffnung, die wir heute dringender denn je brauchen.
Mit “Verkaufte Heimat“ von Felix Mitterer widmen sich die Freilichtspiele Lana und Regisseur Thomas Hochkofler einer dramatischen Südtiroler Familiensaga zwischen 1938 und 1945 (ab 04.07.). Einem Janusgesicht gleich richtet sich das Stück einerseits nach hinten, auf die Geschichte der Option von 1939, einem der dunkelsten Kapitel der Südtiroler Vergangenheit; andererseits schaut es nach vorne, indem es sich kritisch mit dem Heimatbegriff auseinandersetzt. Mitterer thematisiert den Verlust von Heimat und Identität sowie den Missbrauch politischer Macht. Es geht um persönliche und gesellschaftliche Tragödien, die entstehen, wenn man sich zwischen zwei Übeln entscheiden muss.
Ganz weit zurück gehen die Schlossfestspiele Dorf Tirol, denn sie präsentieren “Lysistrata“ des griechischen Dichters Aristophanes (ab 15.07.). Der künstlerische Leiter Manfred Schweigkofler bringt das Stück in einer modernen Bearbeitung auf die Bühne, denn der Plot könnte zeitgemäßer nicht sein: Die Frauen Griechenlands haben genug vom kriegerischen Treiben ihrer Männer und treten in einen kollektiven Sex-Streik. Es folgt ein turbulentes Spiel mit viel Ironie und überraschenden Wendungen. Begleitet wird die Inszenierung von einer Live-Rock’n’Roll-Band, die dem antiken Stoff eine frische, musikalische Dynamik verleiht.
Turbulent wird’s auch in Brixen, wo im Tschumpus „House of Tschumpus - Der Letzte trinkt den Nusseler“ zu sehen ist (ab 26.06.). Lukas Lobis führt Regie und erzählt von einer illustren Bande, die im Kerker sitzt. Die unterschiedlichsten Verbrechen haben sie begangen, etwas aber haben sie gemeinsam: der Tschumpus ist ihr Zuhause. Dem gegenüber stehen eine Baulöwin sowie einige Investoren, die mit dem zentral gelegenen Baugrund spekulieren. Und inmitten des Kleinkriegs entsteht eine unmögliche Liebe zwischen Romina und Giulio. Erinnert euch das an irgendwas? Zehn Jahre feiert der Kultursommer hinter Gittern: Herzlichen Glückwunsch!
Einen humorvollen Aufstand gegen Ungerechtigkeit zeigen die Sommerspiele Ritten mit “Bezahlt wird nicht! Wenn kaufen Luxus ist, ist Klauen eine Pflicht“ in der Bearbeitung von Elke Hartmann (ab 18.07.). In einer Vorstadt kommt es zu einer spontanen Aktion: Aus Protest gegen steigende Preise verlässt die Kundschaft vollbepackt und ohne zu bezahlen den Supermarkt. Auch Antonia, die schon lange mit offenen Rechnungen kämpft. Damit ihr Mann nichts mitbekommt, tischt sie ihm abstruse Lügen auf. Es kommt zu unverhofften Schwangerschaften, einer Suppe aus Vogelfutter und einem scheintoten Polizisten. Der Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo schrieb das Stück 1974, aber der satirische Stoff ist aktueller denn je.
[Adina Guarnieri]