Ein Jahrzehnt hinter Gittern
Der Brixner Kultursommer feiert Geburtstag
Im Tschumpus ist im Sommer immer was los, und das schon seit zehn Jahren. Bis 2009 war rund um den Innenhof neben dem Brixner Dom die städtische Strafanstalt untergebracht. Danach war der Ort verwaist, ehe 2016 der erste Kultursommer „hinter Gittern“ stattfand. Was Sie dieses Jahr neben der inzwischen kultigen Eigenproduktion noch so alles erleben, das lesen Sie hier.
„Kennen Sie diesen besonderen Ort mitten in Brixen? Diese Mauern, umrahmt von Kirchtürmen und Stacheldraht? Ein Ort, in den bisher keiner hinein wollte und aus dem plötzlich keiner mehr raus will.“ Mit diesen Worten begann 2016 die Beschreibung von „Ein Sommerknasttraum – Kabarett in Ketten“, die erste Eigenproduktion im Tschumpus. Damals schon mit dabei: Georg Kaser, Peter Schorn, Patrizia Solaro und Viktoria Obermarzoner. Im Laufe der Jahre hat sich das Team stets erweitert, u. a. mit Gianluca Iocolano oder Anna Oberrauch, die 2024 als unheimliches Mädchen in „Scheining“ ihr Bühnendebut feierte. Heuer ist sie wieder mit dabei, wenn es bis zum 23. Juli heißt „House of Tschumpus. Der Letzte trinkt den Nusseler“. Regisseur Lukas Lobis erzählt darin von einer inhaftieren Bande, bestehend aus einem Taschendieb, einer Heiratsschwindlerin und ähnlich zwielichtigem Volk. Was sie alle gemeinsam haben: Niemand will raus, denn der Tschumpus ist ihr Zuhause und die Welt da draußen ist anstrengend und böse. Dem gegenüber stehen eine Baulöwin und ihre Investoren, die mit dem zentralen Grund spekulieren. Es kommt zu einem Kleinkrieg und inmitten von all dem entsteht eine unmögliche Liebe zwischen Romina und Giulio. Das kann nicht gut gehen, oder doch?
Die Eigenproduktion ist nur ein Punkt auf der Agenda. Neben theatralischen Führungen und mehreren Konzerten, u. a. von Doris Warasin (28.07.), dem Brixner Beschwerdechor (13.08.) oder Manuel Randi mit dem Trio „Sud“ (28.08.), kommen viele illustre Gäste in die Stadt. Darunter die Wiederholungstäter vom Feinripp Ensemble mit „Nibelungen Gaga“ (15.07.). Ob Siegfried, Hagen oder Kriemhild – es verschlägt die drei Helden ins Reich der Mythen. Ohne Rücksicht auf Verluste schmeißen sie sich geharnischt im bewährten Feinripp ins Abenteuer. Anschließend ist Robert Palfrader mit „Allein“ zu sehen (25.-26.07.). Darin erzählt er, wie er vom Klosterschüler zum Atheisten wurde und redet über Schopenhauer, Integration und Homöopathie. Dabei kommt er zum Schluss: Alles nicht so super. Und es wäre kein Kultursommer ohne „Goethes Faust“ (12.08.) mit den Tschumpus-Urgesteinen Georg Kaser und Peter Schorn. Seit 2013 steht das Spektakel auf dem Programm und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Was als normale Goethe-Lesung beginnt, verselbständigt sich rasch und wird zu einem fulminanten Sog, der Faust und Mephisto, Gretchen und den Pudel zeitlos auf eine andere Ebene hebt.
Auch für das kleine Publikum ist vorgesorgt. In „Sophie macht Musik“ (29.-30.07.) geht es um eine musikalische Kuh, die in den Orchestern dieser Welt nach ihrem persönlichen Stil sucht. Die Papierfiguren von Annelies Kompatscher und Ruth Schmidhammer erwecken sie zum Leben, Sabine Miller sorgt hingegen für die musikalische Unterhaltung. „Schokolade!“ (04.-05.08.) handelt hingegen von einer köstlichen Tafel, die gerecht in drei Stücke geteilt werden soll. Eine wahre Herausforderung, denn warum ist es mit Schokolade so viel schwerer als mit Knäckebrot? Und sind wir wirklich glücklicher, wenn wir das größte Stück abbekommen?
Dicke Mauern und Grenzzäune schießen allerorts aus dem Boden – in Europa und anderswo. Im Brixen jedoch werden spätestens am 23. August die Mauern eingerissen, wenn das Tanzvolk bei Techno-Tschumpus den Knast stürmt.
[Adina Guarnieri]