Bühnenreife Bescherung zum Jahresende
Besinnlich allein war gestern, gezeigt wird die etwas andere Seite der Feierlichkeiten
Im Dezember sollten wir vermehrt auf die Bedürfnisse unserer Mitmenschen achten, denn gutes Essen und ein behütetes Zuhause sind nicht für alle selbstverständlich. Und so ist es wichtig, dass wir unseren Vorurteilen bewusst entgegenwirken. Passend dazu zeigt die Dekadenz Brixen Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ (8.12.-10.12.). Das Stück aus dem Jahre 1973 erzählt die Geschichte von Emmi und Ali, deren Liebe für Kritik und Unverständnis sorgt. Da er rund 20 Jahre jünger ist und aus Marokko stammt, werden die beiden zum Ziel rassistischer Hetzattacken. Doch Liebe kennt keine Grenzen. Die bunte Mischung der interkulturellen Profi-Laienbesetzung, welche von Regisseurin Michaela Senn zusammengestellt worden ist, beweist es. Um menschliche Abgründe, nun aber im komischen Sinne, geht es bei Ingeborg Schwab, die uns „Ein Wiedersehen mit Herbert Gottsbacher“ beschert (13.12.). Letzterer ist eine von ihr geschaffene Kunstfigur, die zu allem eine Meinung hat – v.a. beim Thema Frauen. In einer Kombi aus Travestie, Clownerie und Kabarett erforscht Schwab das Männliche im Mann, ein Paradebeispiel an Empathie zwischen den Geschlechtern.
Um das Überwinden kultureller und sprachlicher Grenzen geht es hingegen bei dem europaweit angelegten Projekt „Fabulamundi“, welches ab 12.12. bei den Vereinigten Bühnen Bozen gastiert. Seit 2017 unterstützt die Initiative den Aufbau eines grenzübergreifenden Netzwerks für Gegenwartsdramatik. Zahlreiche Theater, Festivals und Kulturorganisationen aus mehreren EU-Ländern nehmen daran teil und helfen dabei, Produktionen, Lesungen, Übersetzungen und Workshops zu organisieren. Nun präsentieren die VBB dem Südtiroler Publikum vier der dabei entstandenen Stücke in Form szenischer und mehrsprachig ausgerichteter Lesungen.
Vom zeitgenössischen Theater zur klassischen Operette: die Südtiroler Operettenspiele inszenieren im Forum Brixen Jacques Offenbachs Meisterwerk „Pariser Leben“ aus dem Jahre 1866 (ab 6.12.). Offenbach gilt als der Urvater der Operette, seine schwungvoll satirischen Melodien verliehen dem Genre seine charakteristische Note. Doch wer glaubt, dass sich Regisseur Leo Ploner mit einer einfachen Wiederauflage zufriedengibt, der täuscht sich. Er holt das Geschehen in die Gegenwart, denn die Handlung pointiert auf ironische Art die Auswüchse des Erlebnistourismus in Paris, wo die Einheimischen für ihre Gäste die Illusion niemals endenden Spaßes in Szene setzten. Wer mag, kann darin Parallelen zu heutigen Marketingstrategien entdecken…
Klassik ist auch die große Leidenschaft des Ungeheuers, welches ab 8.12. im Stadttheater Bruneck sein Unwesen treibt (Regie: Ulrike Lasta). Die Hauptfigur im Kindertheaterstück „Die Geschichte vom Un-Geheuer“ ist bedrückt, denn alle fürchten sich vor seinem Anblick. Dabei wünscht sich das Ungeheuer nichts sehnlicher, als Freunde. Schuld an allem ist das „Un“ vor seinem Namen, denn vor einem Geheuer hätte sicher niemand Angst. Und tatsächlich meldet sich ein kleines Mädchen auf die Annonce „Kaum gebrauchtes ‚Un‘ abzugeben“ und so steht dem Opernbesuch zu zweit nichts mehr im Wege. Eine schaurig-liebevolle Geschichte für Klein und Groß, passend zur Weihnachtszeit. Aber nun ist auch mal Schluss mit der Besinnlichkeit: Edi Jäger, Alex Meik, Stefan Schuber und Philipp Kopmajer zeigen in „Schnöde Bescherung“ eine explosive Mischung aus Blues, Satire und Lyrik. In diesem „Schrille-Nacht-Kabarett“ mit Don Lametta ist für jeden Geschmack was dabei.
Kriminell was auf die Ohren kriegt man auch im Carambolage Bozen, wo sich gemeinsam mit dem Nikolaus die Schlagzeugmafia eingeschlichen hat (6.-7.12.). Mit ihrem Programm „Backstreet Noise“ trommeln sich die fünf Ganoven in die Gehörgänge – und sicherlich auch in das Herz – des Publikums, nicht umsonst haben sie beim „Niederstätter surPrize 2018“ den Publikumspreis geholt. Mit modernen Beats und Slapstick-Choreographien aus der Stummfilmzeit überzeugten sie damals auch die Jury. Vorbei an der mittlerweile 3. Ausgabe der „Fuckup Night Bozen“ (12.12.), steuert das Kleinkunsttheater der Landeshauptstadt dann zielsicher auf die rasante Weihnachtsshow à la Improtheater zu, wo zum Jahresende nochmal alle Asse aus dem Ärmel geholt werden (17.12.). Wenn die Rentiere ihre Hufe am Glühwein wärmen und die Adventsmenschen in Moon Boots und Plüschmützen den Christkindlmarkt fluten, dann gibt es nur einen Ort, an dem man sicher ist: das Theater!
Schutz und Zuflucht vor dem Wahnsinn – frag sich nur, ob vor jeglicher Form desselben? – finden Sie bei der Stadtbühne Sterzing, wo bis 8.12. „Såchn zu Låchn“ zum Besten gegeben wird. Und dass dabei garantiert kein Auge trocken bleibt, versichern die Namen der Autoren: Loriot und Karl Valentin. Gezeigt wird eine Auswahl jener Klassiker, die diese Meister der Komik bekannt gemacht haben. Lassen Sie sich von ihren unübertroffenen Wortklaubereien beseelen.
Von zwei Meistern der Komik zu „Schneewittchen und die zwei Zwerge“ (ab 12.12.). Zwei? Ja, denn leider machen Finanzkrise und Sparmaßnahmen nicht mal vor dem Zwergenland halt. Etwas ist aber unverändert: Schneewittchen ist die Schönste im ganzen Land und ihre Stiefmutter bleibt eine selbstsüchtige Person. Unter der Regie von Thomas Hochkofler präsentiert das Theater-in-der-Klemme Meran ein actionreiches Update des beliebten Märchenklassikers. Bei der Wahl des Prinzen wurde hoffentlich nicht gespart?
[A. G.]