Weibliches Hab und Gut im Laufe der Zeit
Das Heft „Vermögen und Verwandtschaft“ wurde im Frauenarchiv präsentiert
Wie bestimmen Frauen über ihr Vermögen? Diese Frage ist eng mit dem Thema der finanziellen Unabhängigkeit verbunden. Schon in der frühen Neuzeit traten Frauen als Besitzerinnen von Hab und Gut auf.
Durch die Mitgift brachten sie beispielsweise einen Teil des Familienvermögens in die Ehe, wie die Historikerin Siglinde Clementi zu berichten weiß.
Erste Frage: Was verbirgt sich hinter dem Titel „Vermögen und Verwandtschaft“?
Das Heft untersucht die Vermögensarrangements innerhalb der Familie und im Verwandtschaftsgeflecht, denn alle Besitzverhältnisse spielten sich damals – die Beiträge behandeln den Zeitraum zwischen 1500 und 1800 – innerhalb der Verwandtschaft ab. Konzentriert haben wir uns auf Heirat und Erbe, denn dies waren jene Momente, wo innerhalb der Familie das Vermögen weitergegeben wurde – auch an Frauen.
Welche Möglichkeiten hatten Frauen selbst Besitz zu erlangen?
Der direkteste Weg war, wenn man als Tochter die Mitgift anlässlich der Heirat bekam. Das Heiratsgut war als Erbteil gedacht und im Adel waren das konsistente Beträge. Die Frauen der unteren sozialen Schichten erarbeiteten sich die Mitgift selber und brachten ihren Lohn mit in die Ehe. Somit gründete die Familie auf dem Besitz beider, keineswegs nur auf jenem des Mannes. Ein Großteil des Familienvermögens wurde zwar patrilinear vom Vater an die Söhne weitergegeben, aber auch die Frauen haben ihren Beitrag geleistet und waren auf ihre Weise am Besitz beteiligt.
Welches Bewusstsein hatten Frauen ihrem Besitz gegenüber?
Ich glaube, dass Frauen damals sogar einen stärkeren Bezug zu ihrem persönlichen Vermögen hatten als Männer. Da das Familienvermögen patrilinear übertragen wurde, stellte jenes der Frauen eine Art Sondervermögen dar. Vor allem jene Besitztümer, die zum eigenen Körper gehörten, wie z.B., Schmuck oder Kleidung, hatten eine besondere Bedeutung. Diese gingen nicht im Familienbesitz auf, genauso wenig wie die Mitgift. Alles, was eine Frau in die Ehe mitbrachte, stand ihr im Falle eine Verwitwung zu. Es war ihre persönliche Absicherung im Witwenstand.
Seit wann gibt es so etwas wie weibliches Privateigentum?
Die Idee des „Privaten“ ist erst im 19. Jahrhundert entstanden. Vorher war auch die Ehe keine private Angelegenheit, sondern ein Vertrag zwischen zwei Familienverbänden. Die Idee des unabhängigen Individuums setzt sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durch. Es ist wichtig zu verstehen, dass in der frühen Neuzeit das Vermögen im familiären Kontext verankert war. Den Frauen ging es dabei um ihre persönliche Absicherung, die auch durch entsprechende Gesetze geregelt war.
Frauenrechte sind also keine Erfindung des 20. Jahrhunderts?
Vor allem in Bezug auf die Geschichte der Frauen gibt es den weitverbreiteten Mythos, dass Frauen früher überhaupt keine Rechte hatten und keiner Erwerbstätigkeit nachgingen. Aber Frauen haben immer schon gearbeitet, sehr oft in den Familienbetrieben, nur entsprachen sie damit nicht dem Modell des erwerbstätigen Mannes. Frauen waren nicht rechtlos, aber vor allem in der Frühen Neuzeit hingen ihre Rechte weniger vom Geschlecht als vom sozialen Stand ab. Das polarisierte Geschlechtermodell, das Männern und Frauen fixe soziale Rollen zuwies, ist erst im 19. Jahrhundert entstanden und beschäftigt uns noch heute. Wir müssen differenzieren, weil jede Epoche einen anderen sozialen und politischen Hintergrund hatte und unsere heutigen Kategorien dem historischen Kontext nicht entsprechen. Mit einem linearen Fortschrittsdenken kommt man in der Frauengeschichte nicht weiter.
[Adina Guarnieri]
ZUR PERSON
Siglinde Clementi
(*1967 Bozen) hat Geschichte und Pädagogik in Wien studiert. Sie war langjährige Geschäftsführerin von Geschichte und Region/Storia e regione, ist Gründungspräsidentin des Frauenarchivs Bozen und Vizedirektorin des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen.
Die zweisprachige Zeitschrift „Geschichte und Region / Storia e regione“ (GRSR) wird seit 1992 vom gleichnamigen Verein als Forum für Geschichtsschreibung im zentralen Alpenraum herausgegeben. GRSR versteht sich als regionalgeschichtliches Projekt am Schnittpunkt der deutsch- und italienischsprachigen Wissenschaftskulturen. Der Verein entstand vor über 20 Jahren in Bozen und verfolgt seitdem das Ziel, die regionale Forschung im Bereich Geschichte zu intensivieren und den Austausch über regionale Grenzen hinweg zu fördern.
Das Themenheft „Vermögen und Verwandtschaft“, herausgegeben von Siglinde Clementi und Janine Maegraith, ist im Studienverlag erschienen.
Info: www.storiaeregione.eu