Ein Leben für die klassische Musik
Der Violinist Raphael Ploner aus Gröden über die Anfänge des Haydn Orchesters
Im Jahr 1960 wurde das Haydn Orchester von Bozen und Trient aus der Taufe gehoben. Mit bescheidenen Anfängen, begrenzten Mitteln und ohne rechtliche Grundlagen – jedoch immer mit dem Anspruch, klassische Musik auf hohem Niveau zu machen und das Interesse daran in der Bevölkerung zu stärken. Der Violinist Raphael Ploner aus Gröden war von Anfang an dabei.
Raphael Ploner, heute 88-jährig, lebt mit seiner Familie in Kastelruth. Er freut sich, dass über die Geschichte des Haydn Orchesters geschrieben werden soll. Sich selber nimmt er bescheiden zurück – nach dem Ende des Interviews meint er: „Eigentlich habe ich jetzt alles erzählt.“ Dabei gäbe es noch viel mehr zu erzählen, sein Leben ist reich an interessanten Geschichten.
Vater begeisterter Hobbymusiker
Raphael Ploner stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater war ein begeisterter Cellist und leitete seine fünf Söhne dazu an, ein Instrument zu studieren, was sie dann auch taten: Zwei spielten Violine (Raphael und Rudolf), einer Bratsche (Hannes), einer Kontrabass (Otto) und einer Klavier (Max). Doch weil die Musik nicht immer genug Arbeit bot, machten sie auch das, was in Gröden Tradition hat: sie schnitzten. Noch heute, erzählt Schwiegertochter Loredana, schnitzt Raphael im Winter die eine oder andere Krippenfigur. Als die Nachricht die Runde machte, dass ein Orchester in der Region gegründet werden sollte, sagte der Vater zu den Söhnen: „Lasst das Schnitzen und übt!“ Und wie sie das taten! Raphael und Bruder Rudolf waren ab der ersten Probe im Oktober 1960 dabei.
Holpriger Start und wenig Akzeptanz
Das Haydn Orchester war zunächst ein freies Orchester, ohne Satzung, ohne organisierte Struktur und auf Jahrzehnte ohne richtigen Sitz. „Wir probten in einer großen Garage am Bozner Boden, später am Sitz der RAI am Mazziniplatz und im Bozner Konservatorium. Lange Jahre waren wir im Cristallo-Theater in der Dalmatienstraße beheimatet, da waren Mäuse und Katzen unsere ständigen Begleiter.“ Erst sehr viel später, um die Jahrtausendwende, sollte das Orchester eigene Büros in der Heinrich-Gilm-Straße und Probenräume im angeschlossenen Haydn-Auditorium erhalten. Da war Raphael schon in Pension gegangen, im Jahr 1992. Über drei Jahrzehnte gehörte er dem Klangkörper an. „Anfangs gab es nur einige Monate im Jahr zu spielen für uns“, erinnert sich Ploner. „Zwei Monate im Jahr fuhren wir nach Modena, Reggio Emilia, Treviso, Udine, um Oper zu spielen. Neblig war es und feucht.“ Einheimische Mitglieder des Orchesters waren eher die Ausnahme. Die Bläser kamen zunächst vom Kurorchester Meran. Es wurde der Zuzug von italienischen Musikern gefördert, die dann meistens auch einen Lehrauftrag am Bozner Konservatorium erhielten.
Pensionswirt in Kastelruth, Lehrer für Violine
Raphael Ploner betrieb neben seinem Beruf als Musiker noch eine Pension, das „Haus Ploner“ in Kastelruth, gemeinsam mit seiner Frau Thea. Dort hilft er noch heute hin und wieder mit, wo es nötig ist. Außerdem gab er sein Wissen für viele Jahre an Geigenschüler weiter. Nichtsdestotrotz blieb er ein hervorragender Musiker. Eine, die es wissen muss, ist Johanna Wassermann, ebenfalls langjährige Violinistin beim Haydn Orchester und Ploners Pultnachbarin.
„Raphael war ein Genie. Sinfonien von Haydn, Beethoven, Mozart und Schubert, die spielte er auswendig. Da stimmte alles bis auf den letzten Bogenstrich!“
Seine beiden Kinder Peter und Yvonne traten als Apotheker und ärztin zwar nicht in die sprichwörtlichen Fußstapfen des Vaters. Doch den beiden 15-jährigen Enkelsöhnen Eric und Aaron erteilt Ploner nach wie vor Geigenunterricht. Musik machen kann man schließlich in jedem Alter.
[Sibylle Finatzer]