„Bilder im Kopf und auf der Leinwand“
Christoph Waldboth über die Wechselwirkungen zwischen Lyrik und Film
Christoph Waldboth, Jahrgang 1996, schreibt Lyrik und dreht Filme. Außerdem hat er soeben seinen zweiten Roman fertiggestellt und arbeitet an seinem ersten Streifen in Spielfilmlänge. Ein Gespräch darüber, wie verschiedene Kunstformen einander bedingen.
Was kam für dich zuerst? Das Gedicht oder der Film?
Das Gedicht. Lyrik ist, wenn ich ein Wort schreibe oder sage. Habe ich zwei Wörter, ist es beinahe schon eine Ballade. Was ich damit sagen möchte – die Lyrik war zwangsläufig als erstes da. Film als Unterhaltungsmedium gesellte sich irgendwann dazu, bis er sich mir als Kunstform offenbarte, dauerte es noch etwas länger. Ich war etwa fünfzehn Jahre alt, als ich verstand, dass man dem Kino nicht gerecht wird, wenn man es auf seine unterhaltende Funktion reduziert.
Mit welcher Kunstform beschäftigst du dich zurzeit intensiver? Und warum?
Beide Kunstformen existieren nebeneinander, und sind darauf angewiesen, dass es die jeweils andere auch weiterhin tut. Sie beeinflussen sich gegenseitig und gehen teils fließend ineinander über. Poetische Gedanken, die man in Form eines Gedichts niederschreiben könnte, kann man genauso in cineastische Bilder verpacken. Das habe ich beispielsweise bei meinem letzten Kurzfilm „Junge & Mädchen“ gemacht. Aktuell schreibe ich weiterhin an Lyrik, Prosa und Filmen gleichzeitig, und bin dabei, das nächste filmische Projekt von der geschriebenen Seite in die Wirklichkeit zu transportieren.
Beeinflusst die Erfahrung mit Lyrik deine Art, Filme zu drehen?
Auf jeden Fall. Lyrik erzählt oft in sehr komprimierter Form sehr große Geschichten. Das ist zwar eine Tradition, die vor allem in den alten Balladen stattgefunden hat, und in der zeitgenössischen Lyrik etwas verloren ging, aber ich bin großer Freund davon. Das heißt, die Eigenschaft von Lyrik, mit geringen Mitteln in kurzer Zeit viel zu erzählen, eignet sich wunderbar für den Film, wo ich den Grundsatz verfolge, dem Publikum nicht zu viel an die Hand zu geben. Also anzudeuten, anzureißen, aber nie das gesamte Bild zu enthüllen. Das macht ja auch den Reiz der beiden Kunstformen aus.
Lyrik ist die wohl älteste Kunstform der Geschichte, Film eine relativ neue. Haben beide auch etwas gemeinsam?
Eben das. Bilder zu erzeugen. Ob in den Köpfen der Menschen oder tatsächlich konkret als Bild auf einer Leinwand, ist dabei egal.
In deinen Filmen geht es um existenzielle Themen: Liebe, Schuld, Sehnsucht nach Glück. Wie wichtig ist dir in einem Film die Botschaft bzw. die Geschichte?
Ich habe keine Botschaft. Ich weiß gar nicht, was das sein soll, eine Botschaft. Mir ist bewusst, dass viele Leute immer danach suchen und manchmal auch glauben, eine zu finden. Das ist dann aber nicht meine Botschaft, sondern das, was die Menschen für sich aus dem Werk ziehen. Was die Geschichte betrifft, lege ich großen Wert auf meine Charaktere. Kenne ich meine Figuren bis ins kleinste Detail, habe ich keine Schwierigkeiten, eine Geschichte zu erzählen.
Dein Film „Opfer“ aus dem Jahr 2018 orientiert sich an den Dogma95-Regeln. Was steckt dahinter?
Das Dogma95-Manifest umfasst zehn Regeln, die den Arbeitsprozess beim Drehen sehr einschränken (nur Handkamera, natürliches Licht, Farbe, keine Musik…). Diese Einschränkungen zwingen den Regisseur zu neuen kreativen Lösungen – und das ist eine ungemein befriedigende Erfahrung.
An welchem/n Projekt/en arbeitest du zurzeit?
Ich habe meinen zweiten Roman fertiggestellt, ob der das Licht der Welt erblicken wird, ist dank der unseligen Verlagsbranche noch unsicher. Ansonsten bereite ich gerade meinen ersten abendfüllenden Spielfilm vor. Er trägt den Titel „Die Lustvollen“ und wurde im letzten Sommer geschrieben. Wir sind gerade auf der Suche nach finanziellen Mitteln, beantragen Förderungen und hoffen, dass sich dort draußen Institutionen oder auch Privatpersonen finden, die bestrebt sind, anspruchsvolle Filmkunst made in Südtirol zu unterstützen. Ein Film wie „Die Lustvollen“ wurde hierzulande noch nie gedreht.
[Teseo La Marca]
ZUR PERSON
Christoph Waldboth wurde 1996 in Bozen geboren und ist dort aufgewachsen. Nach der Matura am Kunstgymnasium „Walther von der Vogelweide“ studierte er von 2015 bis 2018 Film und Fernsehen – Regie an der Medienakademie München. Seither lebt und arbeitet er als freier Filmemacher und Autor zwischen Bozen und Wien. Sein Werk umfasst mehrere Kurzfilme, Gedichte, sowie zwei bisher noch unveröffentlichte Romane. Außerdem schreibt er seit einigen Jahren als Filmkritiker für verschiedene Medien, allen voran salto.bz.