Der etwas andere Blick
Elisabeth Frei gibt der gewohnten Umwelt einen neuen Anstrich
In ihrem Atelier in Lajen erschafft die Künstlerin teils ironische, teils nachdenklich stimmende Arbeiten, die den Ursprüngen der Selbst- und Fremdwahrnehmung auf den Grund gehen. Traditionelle Elemente, gewohnte Symbole oder tierische Begleiter des Alltags werden neu in Szene gesetzt, und generieren dadurch überraschende Inhalte.
Elisabeth Frei und die Darstellung des Menschen: Weshalb sind wir das dominierende Sujet?
Das Thema Mensch beeinflusst meine Arbeiten seit jeher, wobei mein Interesse nicht der absichtslosen Darstellung der Figur gilt, sondern vielmehr eine Auseinandersetzung mit existenziellen Themen, dem Leben, der Vergänglichkeit und ein Versuch der Sichtbarmachung der Zeit ist. Dies habe ich vor einigen Jahren mit einem Dorfporträt versucht, bei dem ich 70 ältere Menschen meines Heimatortes in Rückenansicht porträtiert habe. Mittlerweile schließen meine Arbeiten auch das Tierreich durch die Darstellung von Fliegen mit ein, wobei der Bezug zum Menschen stets gegeben ist. Und gerade jetzt versuche ich mich erneut, wenigstens in meinen Werken, dem Menschen zu nähern, denn die menschliche Natur passt nicht zum Abstandhalten.
Du greifst oft Elemente aus der Tradition auf, dennoch wirken deine Arbeiten ungewohnt. Wie schaffst du das?
Für die Bildserie der „Lockdown–Variationen“ ist „der traditionsbewusste Südtiroler“ mein Modell, dem ich als Erkennungssymbol, sofern möglich, einen blauen Schurz verpasse. Dieser ist in seiner Art zwar bodenständig, aber ist auch willens, global zu agieren und versucht das in Form von Sonderwegen zu erreichen. Aus diesem Handeln heraus eröffnen sich mir immer wieder neue Bildideen, die ich durch übermalen von Fotos aus alten Bildbänden in die derzeitige Lage transformiere. So kollidierten die Heimattreue und das Bodenständige der „heilen Welt“ mit der verwirrend komplexen Gegenwart. Vielleicht macht diese wirkliche Unwirklichkeit das Ungewohnte aus.
Aktuell blickst du mit einem lachenden und weinenden Künstlerauge auf die Corona-Pandemie…
Diesem Wechselbad versuche ich durch die Mittel der Kunst auf ironischer Weise zu begegnen, wobei ich in keiner Weise die Realität verleugnen oder in eine Traumwelt flüchten möchte. Vielleicht ist es auch besser, dieser Dramatik mit etwas Humor zu begegnen, um so dem viralen Hass etwas entgegenzusetzen.
Was kannst du zu deiner Materialwahl sagen?
Als Bildhintergrund nutze ich alles Mögliche, aber keine Leinwände. Leinen und andere Stoffe verwende ich ausschließlich, um sie auf Holz zu leimen. Basis für meine Bilder sind bereits bedruckte Aluminiumdruckplatten, alte Zeitschriften, Bildbände, Atlanten und Baupläne. Das Interessante an diesen zumeist kunstfremden Materialien ist, dass sie durch die Bearbeitung eine neue Aussage bekommen.
Arbeitest du nur im Zweidimensionalen?
Immer wieder versuche ich mich auch im Dreidimensionalen, als Werkstoff dient mir dafür Papier, das in plastischen Gestalten eher eine unkonventionelle Rolle einnimmt. Mich fasziniert die Widersprüchlichkeit des Papiers. Einerseits weist es auf Alltag, Abfall und Verschwendung hin, ebenso aber auf Natur und Vergeistigung. Ein skulpturales Projekt waren meine Stuhlobjekte, die ich ohne Gerüst aus Zeitschriften geformt habe, sogenannte Zeitstühle. Für eine Installation bei der Ausstellung „ecce musca“ formte ich aus Transparentpapier Fliegen.
Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Ich hoffe, dass ich meine Arbeiten in nächster Zeit vom digitalen in einen realen Raum verlagern kann. Auf Dauer bietet der digitale Raum keinen Ersatzraum, bestenfalls einen Erweiterungsraum.
[Adina Guarnieri]
ZUR PERSON:
Elisabeth Frei (*1969 Sterzing) hat nach dem Besuch der Kunstschule in St. Ulrich als Kunsterzieherin an verschiedenen Schulen gearbeitet. Seit 1996 betreibt sie ihr eigenes Atelier in Lajen.