Die Autobahnen der Vergangenheit
Neue Sonderausstellung zu Mobilität in der Kupferzeit
Wie haben sich Menschen in der Kupferzeit fortbewegt? Der Archäologe Andreas Putzer erzählt im Interview, warum und wie weit sich Ötzis ZeitgenossInnen bewegt haben und woher wir das wissen. Putzer ist Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Teams des Archäologiemuseums in Bozen und hat die Sonderausstellung „Mobilität zu Ötzis Zeiten“ mit kuratiert.
Woher wissen wir, wie Mobilität in Ötzis Zeiten ausgesehen hat?
Archäologisch stellt man das fest, indem man im Feld Objekte findet, die nicht aus dem Territorium stammen. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit ist die genetische Untersuchung. Zahlreiche prähistorische Skelette in Europa wurden mittlerweile untersucht und man kann anhand dieser Untersuchungen feststellen, ob die Person in dem Territorium aufgewachsen ist oder ob sie von weit herkommt. Seit ein paar Jahren kann man zusätzlich die Herkunft der Rohstoffe ermitteln. Zum Beispiel, woher stammt das Kupfer von einem Beil oder woher stammt der Feuerstein, der gefunden wurde. Wo sind die Mienen, wo diese Rohstoffe extrahiert wurden.
Welche Artefakte kann man sich in der Ausstellung anschauen?
In der Ausstellung gibt es mehrere Themenbereiche. Wir beginnen die Ausstellung mit der Mobilität heute. Heute ist sie etwas Selbstverständliches, Leute reisen weit und kaufen Waren aus der ganzen Welt. Die BesucherInnen sollen sich Gedanken machen, warum wir heute so mobil sind. Der zweite Bereich der Ausstellung widmet sich der Mobilität in der Kupferzeit. Hier wird der Besucher darüber informiert, wie man überhaupt feststellen kann, ob und wie Menschen mobil waren. Anschließend kann man eine Auswahl von Objekten begutachten, deren Ursprungsgebiet irgendwo anders liegt als der Fundort. Wir haben beispielsweise mehrere Kupferbeile oder Feuersteine, wo der Rohstoff entweder aus dem Balkan stammt oder aus der Toskana, die aber hier in der Region gefunden wurden. Der dritte Bereich widmet sich den Glockenbechern. Das sind kleine Tongefäße, die als Trinkgefäße gedient haben. Hier geht es um die Idee, die weitergewandert ist und von einzelnen Kulturgruppen aufgenommen und adaptiert wurde. Der vierte Bereich widmet sich genetischen Untersuchungen und Völkerwanderungen. Die ersten Bauern sind vor Ötzis Zeit aus Anatolien nach Mitteleuropa eingewandert. Nach Ötzi gab es eine zweite große Wanderung, die die indogermanische Sprache, das Pferd und den Wagen mitbringen. Heute ist Migration ja sehr negativ behaftet. Wir wollen hervorheben, dass in der Vergangenheit Migrationen immer Innovationen gebracht haben. Der letzte Bereich widmet sich den Transportmitteln, die verwendet wurden. Beispielweise Karren, Einbäume, viel wurde aber auch zu Fuß transportiert.
Was ist für Sie das Highlight der Sonderausstellung?
Für mich ist das Highlight der älteste Schneeschuh der Welt, den wir in der Ausstellung präsentieren – ein Schneereifen aus Birkenholz. Ansonsten ist die ganze Ausstellung ein Highlight, man muss sie als Ganzes sehen, es ist schwer einzelne Sachen herauszupicken.
Kann man sagen, wie oft sich die Menschen zu Ötzis Zeiten fortbewegt haben?
Nein, das kann man leider nicht mehr sagen. Von Ötzi selber weiß man, dass er viel in Bewegung war, weil seine Beinmuskulatur stark ausgeprägt ist. Um solche Aussagen zu treffen braucht man gut erhaltene Mumien oder Skelette. Genetisch ist es unmöglich zu sagen, ob jemand viel reist. Es gibt eine Isotopenuntersuchung des Zahnschmelzes, die es ermöglicht zu sagen, wo ein Mensch aufgewachsen ist. Und man kann in den Knochen auch feststellen, wo sich der Mensch in den letzten zehn Lebensjahren aufgehalten hat. Aber mehr kann man nicht sagen.
Wie weit sind die Menschen zu Ötzis Zeiten gereist?
Menschen sind von Anatolien oder von der ukrainischen Steppe bis nach Mitteleuropa gereist. Wenn wir aber die Objekte betrachten, die sind von der Toskana bis Südtirol oder vom Balkan bis Mitteleuropa gelangt. Die Metallobjekte stammen hauptsächlich vom Balkan. Das sind große Distanzen. Die mussten zu Fuß oder mit dem Kanu bewältigt werden.
Wie haben damals die Wege ausgeschaut?
Die großen Verbindungswege waren vor allem die Flüsse. Die Flüsse waren die Autobahnen der Vergangenheit. Die gefundenen Objekte haben sich entlang der Flüsse, also Donau oder Rhein beispielsweise, verbreitet. Die Wege kann man sich nicht so gepflastert wie in der Römerzeit vorstellen. Es gibt vorhandene Wege aus Holzstämmen, in der Nähe von Siedlungen. Aber man darf nicht davon ausgehen, dass in Mitteleuropa ein wirklich ausgebautes Wegenetz bestanden hat.
Was sind die großen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Mobilität heute und in der Vergangenheit?
Es hat sich nicht allzu viel verändert. Wenn wir an die Migration denken: Die Menschen sind damals und heute wegen Hungersnöten, Krieg, Klimaveränderungen gezwungen worden, ihr Heimatland zu verlassen. Das ist heute genauso wie damals.
[Nadine Mittempergher]
DIE AUSSTELLUNG
Stone Age Connections. Mobilität zu Ötzis Zeit
Dauer: 23.11.2021-07.11.2022
Öffnungszeiten: Täglich, 10.00-18.00 Uhr (letzter Einlass 17.30 Uhr)
Tickets: Am Schalter im Südtiroler Archäologiemuseum, Museumstraße 43, 39100 Bozen; mit museumcard & museumobil Card gratis
Website: www.iceman.it