Augen zu, Ohren auf: Suchen, lauschen, erleben
Manuel Oberkalmsteiner erforscht Geräusche und macht daraus Klangwelten
Der Musiker erkundet die Umgebung mit offenen Ohren und verwandelt als „Zolf & Saturn“ Klänge und Soundkulissen in schwebende, fast ätherische Kompositionen. Dabei lässt er sich von einer Vielzahl von Eindrücken und Genres inspirieren, und verleiht mit dem Projekt „Ungehörte Orte“ seiner Umwelt eine Stimme.
Wer durch Oberbozens Wälder streift, kann dort auf einen jungen Mann treffen, der mit Kopfhörer und Mikrofon durch die Landschaft wandert. Oft sind seine Augen geschlossen, aber seine Ohren sind umso empfangsbereiter, denn Manuel Oberkalmsteiner achtet auf den kleinsten Laut. Er bezeichnet sich selbst als ein „sehr neugieriges Kind“, das von augenscheinlich unscheinbaren Details magisch angezogen wird. Wie klingt dieser Stein? Was passiert, wenn ich diesen Zweig schüttle? Welchen Klang erzeugen meine Schritte im Laub? All das nimmt der gebürtige Bozner mit seinem Equipment auf. Und falls sich ein unerwartetes Geräusch einschleichen sollte, dann ist das nicht tragisch: „Gerade ein vermeintliches Störgeräusch wie, zum Beispiel, ein Hundebellen oder ein vorbeifahrendes Auto machen die Aufnahme spannend, damit lässt sich arbeiten“
Akustische Schichtarbeit
Zu Hause werden die aufgenommenen Klänge ausgewertet, sortiert, bearbeitet, gesampelt. Ausgehend von ihnen fügt der Musiker neue Tonspuren hinzu oder lässt sie beispielsweise im Loop laufen, bis daraus ein sich wiederholender Rhythmus entsteht. Manchmal sind die einzelnen Ausgangsgeräusche derart verfremdet, dass sie unmöglich herauszufiltern sind. „Reisen mit den Ohren“ nennt der Soundkünstler seine Arbeiten: Ein Gegenpol zum inflationären Bild- und Videostrom unserer Zeit. Mit seinen elektronischen Kompositionen bringt er den Menschen die akustische Ästhetik eines Ortes näher.
„Ungehörte“ Einblicke
Abseits bekannter Pfade bewegt sich der Musiker mit seinem Projekt „Ungehörte Orte“, das er mit Matthias Keitsch vorantreibt. Gemeinsam erkunden sie Ortschaften, die nicht im Zentrum großer Tourismuskampagnen stehen. Dort nehmen sie Geräuschkulissen auf, sprechen mit der Bevölkerung, und verwandeln diese Erfahrungen in eine Klanglandschaft, die das Wesen des jeweiligen Ortes reflektiert. Laut Aussage der Künstler entstehen dabei „akustische Postkarten“, die teils ungewohnte, teils unerwartete Einblicke in das Leben vor Ort gewähren. Jedes Geräusch erzählt eine Geschichte, man muss nur zuhören.
Breit gefächert
Manuel Oberkalmsteiner lotet unzählige Möglichkeiten aus. Von einer Reise nach Istanbul kam er mit einer türkischen Saz-Gitarre zurück, der Einfluss arabischer Rhythmen ist beispielsweise in „Kabak“ vom Album „Peak“ deutlich zu hören. Er lässt sich aber auch von den elektronischen Arbeiten der britischen Band „Radiohead“ beeinflussen, von Johnny Cash oder der anarchischen Grundstimmung des Punks. Daran fasziniert ihn, dass technische Fähigkeiten vollkommen irrelevant sind: Noten, Instrumentenlehre oder Stimmbildung sind überflüssig, es zählt einzig die Energie der Musik. Aus all dem ergibt sich seine Teilnahme an musikalisch recht heterogenen Projekten. Mit Willy Theil und „The Cowboy Without a Horse“ hat er sich dem Trash Country verschrieben, mit dem Künstler Peter Kompripiotr Holzknecht wagt er sich in experimentelle Gefilde, als „Manni Mascarpone & Die Alpenröschen“ nimmt er die Volksmusikszene auf die Schippe; Manuel Oberkalmsteiner hat es sich zur Aufgabe gemacht, die akustischen Grenzen ins Unendliche auszuweiten. [Adina Guarnieri]
ZUR PERSON
Manuel Oberkalmsteiner (*1981 Bozen) ist ausgebildeter Sozialpädagoge. Als „Zolf & Saturn“ hat er bislang drei Alben veröffentlicht: „Mare“ (2016), „Monti“ (2016) und „Peak“ (2020).
Infos: www.zolfandsaturn.com