James Bond in Südtirol
Der Journalist Christoph Franceschini auf Spurensuche
Nach 1945 wird Südtirol zum Schauplatz länderübergreifender Operationen zahlreicher Nachrichtendienste. Christoph Franceschini über sein neues Buch „Geheimdienste, Agenten, Spione: Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte“.
Herr Franceschini, welche „fremden Mächte“ konnte man hierzulande antreffen?
In den letzten 70 Jahren waren unzählige Nachrichtendienste in Südtirol aktiv, von der CIA und dem amerikanischen Militärnachrichtendienst „CIC“ über den israelischen Mossad bis hin zum Bundesnachrichtendienst oder die Stasi. Es waren sicherlich über
ein Dutzend ausländischer Dienste hier, denn Südtirol
ist eine Grenzregion und stellt ein Verbindungsglied
dar zwischen dem romanischen und dem deutschsprachigen
Raum, und solche Schmelztiegel sind für
Nachrichtendienste immer von Vorteil.
Welche Ziele verfolgten sie in Südtirol?
Mit dem Beginn des Kalten Krieges in der Nachkriegszeit hat die Spionagetätigkeit generell zugenommen, auch haben die Amerikaner in Italien versucht, ehemalige Faschisten und Nationalsozialisten für ihre Zwecke anzuwerben. Spätestens mit dem
Aufkommen der Attentate und dem Südtirol-Terrorismus war das Land auch ein Versuchslabor, wo Spionagetechniken konkret getestet werden konnten.
Wer wusste damals Bescheid?
Einige Südtiroler Politiker waren zwar im Bilde, dass Nachrichtendienste im Land unterwegs sind, aber Genaueres wusste niemand. Zusätzlich haben Mitarbeiter des „Ufficio Affari Riservati“ des italienischen Innenministeriums die SVP infiltriert, um interne Grabenkämpfe und Entscheidungen umgehend nach Rom weiterzuleiten. Die Regierung hatte großes Interesse an dem, was in Südtirol vor sich ging. Das hatte einerseits mit den Bomben zu tun, aber auch mit der politischen Entwicklung innerhalb der SVP: Wie steht die Partei zu den Attentaten? Welcher Flügel setzt sich
durch? Wird das Paket angenommen? Insiderinformationen waren hierbei wertvoll.
Hat die Bevölkerung etwas mitgekriegt?
Hie und da sicherlich, denn manche Ereignisse waren recht aufsehenerregend. Da gäbe es z.B. den Mord an Luis Amplatz und den versuchten Mord an Jörg Klotz.
Zu dem Zeitpunkt war allen klar, dass hier ein Agent in den Befreiungsausschuss Südtirol eingeschleust worden war, mit der Aufgabe, zwei führende Köpfe des BAS zu eliminieren. Der Tod von Luis Amplatz war ein Mord im Auftrag des Staates.
Wann ist das Interesse seitens der Geheimdienste abgeflaut?
So gesehen eigentlich nie. Die Nachrichtendienste sind immer noch unter uns, sie widmen sich nur anderen Themen wie, z.B., Wirtschaftsangelegenheiten, Waffen- und Drogenhandel oder Cyberspionage. Die Aktivitäten der Dienste flauen nie ab, denn sie haben viele Interessen und es gibt einfach unzählige Informationen, die geheim gehalten werden.
Ein derartiges Buch klingt nach viel Archivarbeit…
Die Arbeit der Geheim- bzw. Nachrichtendienste ist viel bürokratischer als es in Filmen dargestellt wird. Es entstehen dabei zahlreiche Unterlagen. Ich habe in den letzten Jahrzehnten in Archiven im In- und Ausland zu diesem Thema recherchiert. In den USA sind viele Archive offen, aber auch in Tschechien sind fast alle Sammlungen frei zugänglich. In Deutschland hat der Bundesnachrichtendienst erst seit Kurzem begonnen, seine Dokumente preiszugeben. In Italien ist es schwieriger, denn die Gesetzeslage ist verworren, dennoch hätte ich Material für weitere 10 Bücher (lacht). Es wird bald ein zweiter Band erscheinen, in dem es auch um weibliche Agentinnen gehen wird, denn auch Südtirol hatte seine Mata Hari. Aber dafür müssen die Leser noch etwas Geduld haben.
[Adina Guarnieri]
ZUR PERSON
Christoph Franceschini (*1964) hat Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck studiert. Er ist Redakteur von „Salto.bz“, Buchautor und Dokumentarfilmer. „Geheimdienste, Agenten, Spione: Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte“ ist bei Edition Raetia erschienen.