I went to my Nussgipfel early in the morning
Seit über 40 Jahren mischt Elmar Streitberger in Bozens Musikszene kräftig mit
Elmar Streitberger widmete sein Leben dem Rock’n’Roll. Als Mitglied der Band “Satellites” und Betreiber des bekannten Streitberger Kellers schrieb er Bozner Unterhaltungsgeschichte.
Im Interview spricht er über die Anfangszeiten und blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück.
Elmar, seit wie vielen Jahren bist du in der Musikszene aktiv?
Am 25. Mai 1975 haben Toni Pizzecco und ich mit einer Geschichte begonnen, die man fast als never ending Story bezeichnen könnte. Toni war gerade aus Los Angeles zurückgekommen, ich aus Phönix, Arizona, und wir haben uns in Bozen getroffen; hier war wirklich nicht viel los, das wollten wir ändern. Und ich hatte diesen Keller, aus dem man etwas machen konnte. Es war zwar nicht mehr als ein heruntergekommenes Materiallager, und wir hatten viel Arbeit, ihn zu entrümpeln und einigermaßen herzustellen. Ich arbeitete daran nach meiner Schicht in der Familienkonditorei und nur dann, wenn mein Vater, der mit unserer modernen Musik gar nichts anfangen konnte, verreist war.
Wie waren die Anfänge im Keller?
Am ersten Abend kamen 40 Leute, am zweiten 60, und am 3. war schon die Polizei da. Das war schon der erste Kampf. Ich habe mit sieben Bozner Bürgermeistern und einigen Quästoren zu tun gehabt, immer wieder. Denn wenn man Musik macht, denkt man erst einmal nicht an organisatorische Hindernisse. Am Anfang störte die Musik die Nachbarn, also haben wir die Luftschächte geschlossen. Es kam aber immer irgendwas. Und ich hatte immer Angst, dass etwas passiert. 2014 haben wir den Keller umgebaut und gesehen, dass einige Holzpfeiler morsch und faul waren. Da habe ich dem lieben Gott gedankt, dass nie was eingestürzt ist. Heute ist statisch alles auf dem neuesten Stand, es gibt Notausgänge, es wird nur im Raucherraum geraucht, auch die Stromanlage ist neu.
War die Konkurrenz groß?
Früher gab es in 10 bis 15 Lokalen in Bozen Live-Musik, heute sind es viel weniger. Der bürokratische Aufwand, aber auch die hohen Kosten für Miete und Personal arbeiten dagegen. Denn bis alle bezahlt sind, bleibt einem gar nichts mehr. Ich habe das Glück, dass die Mauern mir gehören. Es ging sich bei mir immer aus.
Eine andere Frage beschäftigt mich mehr: Welche Musik spielt man in Zukunft, man kann ja nicht immer das gleiche spielen; ich bin hier der Opa, passe ich hier noch herein?
Wie viele Veranstaltungen gibt es monatlich bei dir?
Ich habe so 5-6 Veranstaltungen im Monat, meistens am Freitag. Manchmal schleicht sich auch eine Privatveranstaltung ein. Ich habe ungefähr zehn Bands, die hier regelmäßig spielen.
Welche Bands sind das?
Zum Beispiel die Marvin B, die sind hier Zuhause, die alten Satellites, dann kommt einmal Gianni Ghirardini und viele andere.
Die Satellites sind ja deine eigentliche Band.
Meine alten Satelliten, natürlich; die Band gibt es seit 1963, ich bin erst später dazugekommen. Wir haben musikalisch sehr viel erlebt und unzählige Aufführungen gehabt. Die ältesten von uns sind schon siebzig, ich werde es im nächsten Jahr.
Und du warst und bist der Entertainer...
Ja, leider. Die anderen haben immer gespielt, und der Pajazzo vorne war halt immer ich. Daran hat sich nichts geändert. Heute spielen wir unsere alte Musik für Menschen, die unsere Kinder sein könnten. Aber was soll’s: it’s only rock’n’roll! Es ist fantastisch, dass man 50 Jahre nach Woodstock immer noch “Hey Joe” spielen kann. Musik ist die einzige Sprache, die keine Lügen erzählt, sie erzählt die Wahrheit, ganz egal, ob es in einem Blues um einen poor Boy am Rande der Verzweiflung geht oder um einen, der mit einer Frau eine wunderbare Sache erlebt hat.
Du warst auch bei Westbound, wenn ich mich richtig erinnere...
Ja, die gibt es auch schon seit über 30 Jahren. Bei Westbound und deren Leader Toni Pizzecco stand zusammen mit der Musik immer der gute Zweck im Vordergrund; wir spielten schon früh für die Krebshilfe, dann die Mukoviszidose und schließlich für die Ärzte in Afrika.
Was war deine erste musikalische Leidenschaft?
Wir sind damals mit den Beatles und den Rolling Stones aufgewachsen. Die waren damals eine Revolution: lange Haare, Rebellion gegen das Elternhaus, Drogen, man denke nur an Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison, die alle sehr jung an den Folgen der Drogen gestorben sind.
Wie war die Situation im Streitberger Keller?
In meinem Keller habe ich so etwas nie akzeptiert, genauso wenig wie Alkoholexzesse. In diesen Fällen hieß es: Licht aus und heimgehen. Ich war auch immer meiner Musik treu, habe zum Beispiel nie Heavy Metal gespielt, auch weil man damit ein anderes Publikum anzieht. Ich ziehe Gäste vor, die sich ausgelassen amüsieren, aber keinen Schaden anrichten. Ich musste schon oft genug die Toiletten reparieren lassen.
Wie konntest du deinen Beruf als Konditor mit dem Keller und der Band vereinbaren?
Ich war ja auch jünger. Ich bin oft um vier Uhr nach der Feier hinaufgegangen, habe schnell geduscht, die Konditorkleidung angezogen und war dann in der Backstube. Ganz nach dem Motto: I went to my Nussgipgel early in the morning; die Gipfel waren zwar oft ein bisschen schief, aber das haben die Kunden nur selten bemerkt.
[Silvia Amico]