Die „Zussln“ sind los
Am Unsinnigen Donnerstag findet in Prad das „Zusslrennen“ statt
Am Unsinnigen Donnerstag findet in Prad am Stilfserjoch das „Zusslrennen“ statt, ein landesweit einzigartiger Brauch. Gilbert Stillebacher weiß mehr.
Woher kommt der Name „Zussl“?
Dieser Begriff kommt vielenorts vor, z.B. auch im Sarntal beim „Klöckeln“ oder in Stilfs beim Pflugziehen. Früher bezeichnete man ein schlampig, ungepflegtes Weib als „Zussl“. In Prad verkörpern sie aber eine männliche Gestalt, die, in weiß gekleidet, den Frühling symbolisiert. Bunte Papierblumen und Maschen unterstreichen das. Markant sind vor allem die bis zu 20 Kilo schweren Kuhschellen, die sie um die Mitte des Leibes tragen.
Wo liegen die Ursprünge des „Zusslrennens“?
Es ist ein Lärmbrauch, bei dem durch Schellen der Winter ausgetrieben werden soll. Es handelt sich auch um einen Bauernbrauch, der die Wärme des Frühlings heraufbeschwören will. Es gibt Verbote aus dem 18. Jahrhundert, da während des „Zusslrennens“ natürlich auch Unfug betrieben worden ist. Aber niemandem ist es gelungen, diesen Brauch zu verbieten. Seine genauen Ursprünge sind dennoch unbekannt.
Wie können wir uns das Ganze vorstellen?
Es finden zwei Umzüge statt. Beim ersten ziehen als Schimmel verkleidete Burschen einen alten Holzpflug, mit dem symbolisch die Erde aufgebrochen wird. Es folgt der Sämann, der Sägemehl in die Furche und auf die Zuschauer wirft. In der Folge treten verschiedene Bauernpaare auf und zum Schluss ein in Lumpen gekleidetes Paar: „Zoch“ und „Pfott“. Der „Zoch“ küsst die Frauen und die „Pfott“ die Männer. Es ist also nicht nur eine Winteraustreibung, sondern auch ein Fruchtbarkeitsbrauch. Beim zweiten Umzug haben wir den „Triebschellträger“ mit der größten aller Schellen und nach ihm dann die „Zussln“ mit weiteren maskierten Paaren.
Es wird also nicht gerannt?
Doch, die ganze Veranstaltung findet im Laufen statt. Durch das Rennen lärmen die Schellen viel lauter. Am Umzug nehmen circa 50 Leute teil, dann kommen noch die Themenwagen hinzu und am Ende ziehen an die 100 und auch mehr Menschen durch die Straßen. Das gibt einen ganz schönen Lärm!
Was fasziniert Sie an diesem Brauch?
Ich setzte mich für die Erhaltung von altüberliefertem Brauchtum ein. Das hat auch mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl zu tun, wenn Gleichgesinnte verschiedener Altersklassen zusammenkommen und einen Brauch ausführen. Darüber hinaus stellt die „Zussl“ ja etwas Positives dar.
Welche Bedeutung hat diese Veranstaltung für die Dorfgemeinschaft?
Für manche ist das „Zusslrennen“ wichtiger als Weihnachten und Ostern zusammen. Dieser Brauch bedeutet uns viel und wir nennen ihn unseren „Prader Feiertag“. Im Volksglauben gibt es sogar bestimmte Sprüche: wie „Viel Zussl, viel Korn“ oder wenn man sich am Unsinnigen bei der Arbeit verletzt, dann heilt die Wunde nicht. Man sollte also nicht arbeiten, sondern beim „Zusslrennen“ sein.
Gibt es andere typische Faschingsbräuche in Prad?
Drei Tage lang findet der „Maschgertanz“ statt, den es nur in Prad gibt. Dabei führen acht schön gekleidete Paare in den Gasthäusern einen Tanz auf. Die Proben dafür beginnen viele Wochen vorher. Diese Figuren stammen aus der Tradition der Donaumonarchie, und stellen eine Art Hochzeitsgesellschaft dar, auch „Zoch“ und „Pfott“ sind wieder dabei. Die Rollen sind präzise choreographiert und die Lokale meist gerammelt voll, weil alle den Tanz sehen wollen.
[Adina Guarnieri]
ZUR PERSON
Gilbert Stillebacher (*1975) ist Experte für Brauchtumspflege und beherrscht das traditionelle Goaßlschnöllen. Seit 1983 nimmt er regelmäßig an der Prader Fasnacht teil.
Zusslrennen: 28.02.2019 in Prad am Stilfserjoch
Maschgertanz: 3.03 und 5.03.2019 in Prad am Stilfserjoch, 4.03.2019 in Sulden