„Die Dualität, die in allem herrscht“
FanesAusSagen: Südtirol Sagenwelt zwischen Mystik und Moderne
Das Schauspielkollektiv binnen-I und der Regisseur Joachim Gottfried Goller im Gespräch über ihre gemeinsame Theaterproduktion.
binnen-I: Das sind Alexa, Katharina, Viktoria, Petra und Marlies. Sie haben sich im Zuge ihrer Schauspielausbildung und bei verschiedenen Theaterproduktionen kennengelernt. Von Anfang an war den jungen Frauen eines gemein: der Wunsch, etwas Eigenes zu kreieren, unabhängig von laufenden Engagements. Sie wollten Geschichten auf die Bühne und von dort in die Welt hinaustragen. Ehrliche Geschichten, in denen es sowohl um gesellschaftlich relevante Themen geht, als auch um die gesellschaftliche und individuelle Relevanz vom Theater. binnen-I ist das Resultat dieser gemeinsamen Reflexionen. Das Schauspielensemble nimmt die Perspektive der jungen Generation ein, denkt neue Wege und Lösungen an und zeigt auf der Bühne „wie es auch sein könnte“. Der Name des Ensembles ist vielschichtig. In der Schrift dient das Binnen-I dazu, das Weibliche und das Männliche zu vereinen, und eben darum geht es dem Schauspielkollektiv: eine Gleichheit zwischen männlich und weiblich herzustellen. Darin steckt die größte Kraft, sind sich die Frauen einig. Im Südtiroler Dialekt gerät der Gruppenname zu einer Frage: „Wer binnen i?“ Eine grundlegende Frage im Leben eines jeden Menschen, und besonders häufig stellt im sich die Frage nach Identität Schauspielberuf, nämlich beim Annehmen jeder neuen Rolle.
FanesAusSagen
An die Frage nach Identität und den eigenen Wurzeln knüpft das aktuelle Theaterprojekt FanesAusSagen an. Die Dolomitensagen über den Mythos der Fanes bilden die Grundlage dafür. In den Erzählungen über die Familiendynastie geht es um Beziehungen, um Gesellschaftsstrukturen, um den Untergang des Herrschertums und die ersehnte Wiederauferstehung. Die Aufführung ist keine bloße Erzählung des überlieferten Sagenstoffs, sondern das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem vielfältigen Material – ein Theaterstück mit Performanceelementen. Die Ansätze des Regisseurs Joachim Gottfried Goller bieten einen idealen Kontrast zu den altüberlieferten Erzählungen. Er findet, dass der Sagenzyklus etwas Universelles hat, weil die Motive und Figuren auch in Erzählungen anderer Kulturkreise vorkommen, und zugleich aufgrund seines starken regionalen Bezugs einzigartig ist. Er hat verschiedene ästhetische Mittel gewählt, um durch Genremischungen Zugang zu den Zuschauern unterschiedlicher Generationen zu finden.
„Sagen kann man auch mit unserer Sprache erzählen“
Damit meint Joachim Gottfried Goller die Sprache des Theaters. Um das reichhaltige Material zu sondieren, dramaturgisch zu formen und in eine Bühnenfassung zu übersetzen, hat sich die Gruppe die Unterstützung der Autorin und Sagenexpertin Kathrin Gschleier geholt. Nicht nur an neue Formate hat sich binnen-I gewagt, sondern auch an eine neue Gruppenkonstellation. Erstmals haben sie Gastkünstler*innen dazu geholt: Eva Kuen, Max G. Fischnaller, Dietmar Gamper und Peter Schorn spielen mehrere Rollen. Außerdem trifft es den Kern des Stückes: Es geht um im Wesentlichen um Matriarchat und Patriarchat, und darum was wir aus deren Funktionalität und Dysfunktionalität lernen könnten. „Es geht um verbindende Elemente und die Dualität, die in allem herrscht“, erklärt Joachim Gottfried Goller. Jeder von uns trägt das Weibliche und das Männliche in sich, das Fremde und das Eigene, das Gute und das Böse.
Starke Aussagen vor einer mächtigen Kulisse
Kaum ein Ort könnte ein beeindruckenderes Bühnenbild abgeben als Schloss Sigmundskron. Die imposanten Steinmauern und die historische und geografische Bedeutsamkeit des Bauwerks verleihen dem Platz eine mystische Atmosphäre. Vor dieser starken Kulisse werden Mirjam Falkensteiners Kostümkreationen den Hauch von Epos verstärken doch nicht nur klassische Kostüme finden sich im Fundus der Produktion, sondern auch gegenwärtige und futuristische Elemente. Das Prinzip der Genremischung zieht sich durch die gesamte Produktion und betrifft auch die Musik.
Auf der Schlosswiese sitzend, werden die Zuschauer die Geschichte Dolasillas und ihrer Dynastie verfolgen. Sie werden mit der Königsfamilie den Klang der silbernen Trompeten erwarten, die die verheißene Zeit einläuten sollen, in der das Fanesreich wiederaufersteht.
[Lisa Pfitscher]
SCHAUSPIELKOLLEKTIV BINNEN-I
Die binnen-I’s: Alexa Brunner, Katharina Gschnell, Viktoria Obermarzoner, Petra Rohregger, Marlies Untersteiner
Bisherige Produktionen:
Total Quality Woman, 2017, Regie: Eva Kuen
Sweet Affair, 2017, in Zusammenarbeit mit OEW
Und jetzt: Die Welt, 2018, Regie: Mona Kraushaar
Aktuell: FanesAusSagen
Regie: Joachim Gottfried Goller
Ensemble: binnen-I & Max G. Fischnaller, Eva Kuen, Peter Schorn, Dietmar Gamper
Premiere am 1. Juni 2019 - Weitere Vorstellungen: 4., 5., 7., 8., 9., 11., 12. und 14. Juni 2019 - Beginn jeweils um 20.30 Uhr - MMM Schloss Sigmundskron