„Bibliotheken sind kulturelle Nahversorger“
Warum Südtirols Bibliotheken mit Optimismus in die Zukunft schauen
Marion Gamper ist die Leiterin des Amtes für Bibliotheken und Lesen. Ihr Büro ist in Bozen, ihr Arbeitsplatz ist sozusagen überall in Südtirol: Gamper und ihre Mitarbeiter sind zuständig für ein Netz aus 279 Bibliothekseinrichtungen, die meisten davon öffentlicher Natur. Ein Gespräch über das Spannungsfeld zwischen dem klassischen Buch und der neuen digitalen Welt, aber nicht nur.
Frau Gamper, Sie leiten das Amt für Bibliotheken „und Lesen“. Warum dieser Zusatz?
Das ist eine interessante Frage. Bibliotheken werden seit jeher als Orte der Bücher angesehen und das sind sie auch. Heute aber haben sie drei wichtige Funktionen: Sie bieten kulturelle Veranstaltungen, sie setzen, oft in Zusammenarbeit mit den örtlichen Bildungsausschüssen, auf Bildungsangebote, und sie erfüllen als nicht-kommerzieller Treffpunkt eine wichtige soziale Funktion. Sie sind kulturelle Nahversorger! Das Lesen ist ein wichtiger Schwerpunkt der Bibliothekstätigkeit, aber längst nicht mehr der einzige.
Wie fördern Bibliotheken das Lesen?
Die Bibliothek soll ein Ort der Freude am Lesen sein. Hier herrscht kein Zwang, sondern ein unverbindliches Angebot, das allen offensteht. Man darf nicht vergessen: Auch in Südtirol gibt es sogenannte funktionale Analphabeten, also Menschen, die zwar in der Schule lesen gelernt haben, es aber aufgrund verschiedener Umstände wieder verlernt oder große Schwierigkeiten damit haben. Die Bibliothek vermittelt: Hier kannst du ohne Druck lesen, was dir gefällt und deinen Interessen entspricht. Und natürlich wird mit verschiedenen Angeboten der Spaß am Lesen von klein auf gefördert, z.B. mit der Initiative „Bookstart“ für die Kleinsten oder Autorenlesungen in den Schulen, die sehr beliebt sind. Lesen können ist eine zentrale Fähigkeit, die nicht selbstverständlich ist!
Stichwort Kinder und Jugend: Wie stehen die Bibliotheken der digitalen Entwicklung, Smartphone und Tablet gegenüber?
Unsere Bibliotheken sind digital! Sie stellen schon seit Jahren den Zugang zum Internet zur Verfügung, sie garantieren den Zugriff auf Informationen. Mit dem Service „biblio24“ kann man eine große Bandbreite an digitalen Medien wie E-Books, E-Paper und Ähnlichem ausleihen. Das Projekt der Landesbibliothek „chiri“ für Oberschulen bietet geprüfte Inhalte auf Online-Datenbanken an, die von Redaktionen aufbereitet werden. Abgesehen davon lesen viele Jugendliche mehr als man denkt, auch wenn es nicht immer die klassischen Bücher sind. Das Suchen von Informationen und Inhalten ihres Interesses ist auch Lesen, wenngleich auf digitalen Geräten.
Worin besteht konkret Ihre Aufgabe?
Unser Amt versteht sich als Schnittstelle im Südtiroler Bibliotheken-Netz. Wir arbeiten eng mit anderen Institutionen und Vereinen, wie etwa dem Bibliotheksverband, zusammen. Wir schaffen Fortbildungsangebote, was uns sehr wichtig ist. Gut ausgebildete hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiter prägen maßgeblich die Qualität der Bibliotheken. Wir beraten, z.B. bei Bau, Organisation oder Einrichtung, und haben bereits seit 15 Jahren ein Qualitätssicherungssystem. Gewisse Dinge lassen sich zentral einfacher regeln, das ist vor allem für die kleinen Bibliotheken in der Peripherie von Vorteil, die vieles nicht allein stemmen können. Wir halten uns hier auch an das Landesgesetz von 1983, das seiner Zeit weit voraus und auch heute noch fortschrittlich ist. Zudem haben wir gemeinsam mit den Bibliotheken den „Bibliotheksplan 2021“ erarbeitet, der die Weichen für die Handlungsfelder der Zukunft stellt. Wir freuen uns, Südtirols Bibliotheken begleiten zu dürfen!
[Sibylle Finatzer]
SÜDTIROLS BIBLIOTHEKEN ZAHLEN, DATEN UND FAKTEN IM JAHRESDURCHSCHNITT
279 Bibliotheken, davon 13 Mittelpunkt-, 17 Fachbibliotheken, 4 Studienbibliotheken, zahlreiche Schul- und Heimbibliotheken sowie jene von Gemeinschaftseinrichtungen
Außerdem gibt es noch die Bibliotheken der Uni Bozen und der Fachhochschule Claudiana
Über 3 Mio. Bücher mit mehr als 2,5 Mio. Entlehnungen
Über 330.000 weitere Medien mit rund 1 Mio. Entlehnungen
2,35 Mio. Besucherinnen und Besucher
Über 170.000 registrierte Nutzer
200 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
1.800 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter