Mit Avantgarde in den Herbst
Experimentell frohlockt ein inspirierender Sommerausklang
Langsam trudeln die Urlauber wieder in die Heimat ein, die letzten Sommertage künden sich an.
Das ist aber kein Grund zum traurig sein, denn die lokalen Theaterbühnen bieten die perfekte Ablenkung vom Herbstblues. Abhilfe schafft beispielsweise ein gemütliches Glas Wein. Passend zur Traubenernte im September, präsentiert der Köhl‘n Keller in Dorf Tirol einen theatralisch interaktiven Abend zum Thema Wein (13.09, Anmeldung erforderlich). Frei nach dem Motto „Der Geist kann nicht im Trocknen wohnen“, erfahren Sie mit Gabi Mitternöckler (Schauspielerin) und Ingrid Egger (Sommelière) allerlei Kurioses und sogar Philosophisches über den leckeren Saft des Bacchus.
Weniger mit Wein, sondern mehr mit Erbsen befassen sich die Freilichtspiele Südtiroler Unterland. Drangsaliert und betrogen, fühlt sich Woyzeck fremd inmitten der Menschen, die ihn umgeben. Sein Frust zerfrisst ihn innerlich, es folgen der Wahnsinn und eine unfassbare Bluttat. Bis 4. September ist Georg Büchners Sozialdrama „Woyzeck“ noch im Klösterle St. Florian bei Neumarkt zu sehen.
Vom deutschen Vormärz kommen wir nun zur zeitgenössischen Kunst und Kultur: Transart 2019. Jedes Jahr holt dieses multidisziplinäre Festival zahlreiche international bekannte Künstlerinnen und Künstler nach Südtirol. Interaktiv, vielseitig und überraschend, stehen diesmal zwei Theaterprojekte auf dem Programm. Los geht es am 15. September in den Officine FS mit „All the good“ von Jan Lauwers, einer Produktion, die sich dem aktuellen Geschehen widmet. Es geht um das Schwinden demokratischer Ideale und um die politisch tolerierte oder sogar bewusst vorangetriebene Missachtung der grundlegenden Menschenrechte, Hass und Hetze sind allgegenwärtig. Ein düsteres Bild, aus dem der Regisseur ausbrechen möchte. 2014 – das Jahr der Bombenanschläge in Brüssel – traf Lauwers auf den israelischen Kriegsveteranen Elik Niv, der nach einem schweren Unfall Tänzer wurde. Es entwickelt sich so eine teils autobiographische Geschichte, die sei es Eliks, als auch Lauwers Leben auf die Bühne bringt.
Nicht minder aktuell ist „£¥€$ (Lies)” (19.09, Museion), präsentiert von der belgischen Theatergruppe Ontroerend Goed. Wie der Titel erahnen lässt, geht es hierbei um das liebe Geld, das (sprich)wörtlich die Welt regiert. Banken, Finanzmärkte, Börsenindexe – ein schier undurchdringliches Netz von Spekulationen und zwielichtigen Geschäften bestimmt unser Schicksal. Ontroerend Goed bietet dem Publikum diesbezüglich eine einzigartige Erfahrung: schlüpfen Sie in die Haut der Superreichen und erleben Sie, was es bedeutet, alle Fäden in der Hand zu halten. Wie werden Sie sich verhalten? Fair und verantwortungsvoll, oder werden auch Sie bald nach mehr, mehr und immer mehr Reichtum und Einfluss lechzen?
Mit einer Eigenproduktion startet die Dekadenz Brixen ins Programm 2019/20. Gezeigt wird Jakob Noltes „Gespräch wegen der Kürbisse”, Regie führt Anna Heiss (ab 25.09). Es fängt ganz harmlos an – zwei Freundinnen treffen sich zu einem Plausch – und endet in einem Sammelsurium aus Fiktion, Fake News und der Suche nach der Wahrheit in einer scheinbar sinnlosen Welt. Sind nun die Kürbisse Schuld an diesem Wortgefecht, oder sind sie gar die einzig normalen Wesen auf Erden? Jakob Nolte wurde für „Gespräch wegen der Kürbisse“ mit dem Preis der Autorentheatertage 2016 ausgezeichnet.
Die Ausstattung des Stücks trägt die Handschrift der Künstlerin Ali Paloma.
[A. G.]