Rockiges für kurze und lange Ohren
Im April geben Südtirols Bühnen Vollgas, beschwingt und bunt
Nicht nur Ostereier bringt der Hase, sondern auch ein reiches Theaterprogramm hat er für das liebe Publikum zusammengestellt. Und damit Sie nicht lange nach den besten Vorführungen suchen müssen, präsentieren wir hier die Crème de la Crème der nächsten vier Wochen. Reinschauen lohnt sich allemal.
Lustig geht es zu im Theater im Hof in Bozen, denn ein Clown hat seinen Besuch angemeldet (13.-15.04.). Dario Zorell hat ein besonderes Talent: jede Kleinigkeit wird bei ihm zu einem unüberwindbaren Problem. Und nun soll gerade er den verhinderten Direktor ersetzen und dabei mit Luftballonen und Spazierstöcken spielen, sogar jonglieren? So sehr er sich auch bemüht, er kriegt es einfach nicht auf die Reihe. Aber vielleicht kann das Publikum helfen? Dank der Kinder wird das Ganze doch noch zu einem gelungenen Clownsspektakel.
An die Kleinen denkt auch das Stadttheater Bruneck, und zwar mit einer neuen Geschichte der allseits beliebten Pettersson und Findus (ab 28.04.). Wenn Findus aufwacht, muss er sofort auf dem Bett rumhüpfen, denn der Tag ist jung und seine Energie grenzenlos. Aber um vier Uhr morgens ist Pettersson davon nur genervt. Er stellt den Kater vor die Wahl: entweder hat die Hopserei ein Ende oder er soll gefälligst woanders schlafen. Und so zieht Findus ins Plumpsklo. Was er dort wohl erlebt? Vollkommen anders aber nicht minder sehenswert ist Werther. Sprache der Liebe, eine Goethe-Adaption von Kristo Šagor (ab 01.04., Regie: Claus Tröger). Der weltbekannte Text bleibt fast unverändert, doch präsentiert sich das Stück vollkommen anders, zerpflückt, neu gemischt und auf drei Hauptrollen verteilt: Werther, Lotte und Albert, in deren „Sprache der Liebe“ der Dramatiker Schwärmerei, Weltflucht und Egoismus erkennt. Werther, der Liebesegoist, verliert sich selbst und endet tragisch: „Wenn wir uns selber fehlen, fehlt uns doch alles.“
Martina Schwarzmann kommt mit sich selbst gut zurecht, schließlich ist bei ihr alles „ganz einfach“– so zumindest nennt sich ihr Programm, das sie in der Carambolage Bozen zeigt (01.-02.04.). Man bäckt einen Kuchen, isst ihn, arbeitet zwischendurch ein bisschen. Ruhe pur! Natürlich, die minderjährigen Mitbewohner, manchmal auch die volljährigen, muss man halt ausblenden. Aber darin ist die vierfache Mutter und Hausfrau ja Profi, oder etwa nicht? Profis, wenn nicht gar schon alte Hasen sind die Jungs und Mädels vom Improtheater (04.04.). „Womedy“ zelebriert das Improvisationstalent des weiblichen Geschlechts, das zwischen Beruf und Familie so manche Situation rettet. Die female Improqueens rocken den Abend und wärmen damit die Bühne für Olli & Claire (05.-06.04.), Siegerinnen des „Niederstätter surPrize 2010“. Sie präsentieren ihr KlavierLiederKabarett – ohne Akrobatik, dafür mit Sophokles. Die Lieder altgriechisch, das Klavier an der Grenze seiner Kapazitäten. Zwei Heldinnen der besonderen Art: urkomisch, voller Temperament und furchtbar tragisch. Im Anschluss macht Nick Wilder die Bühne des Kleinkunsttheaters unsicher (11.-12.04.). Er liest aus seiner Biografie „Hallo, Herr Kaiser! Das Leben ist wilder als man denkt“. Der Sohn eines Landwirts schaut auf ein turbulentes Leben zurück: Diplom-Holzwirt, Surfweltmeister, Darsteller in Roland Emmerichs „Stargate“. Das Buch erzählt aber auch von den NS-Verstrickungen des Vaters und von der Einsicht, dass im Erinnern an das kindliche Ich der Schlüssel zur innere Stabilität liegt. Ein emotionaler Abend, untermalt mit Gitarre und Mundharmonika.
Musikalisch geht es auch beim Südtiroler Kulturinstitut zu. In Jedermann reloaded verwandelt sich das 100 Jahre alte Mysterienspiel von Hugo von Hofmannsthal mit Electro-Beats und Rocksounds in eine vielstimmige Theaterperformance (12.04. Waltherhaus Bozen, 13.04. Stadttheater Meran). Bestritten wird das Stück aber im Alleingang von Philipp Hochmair, der sich wie ein Rockstar die Geschichte vom Ringen des reichen Mannes aneignet, brutal getrieben von Gitarrenriffs und dem experimentellen Sound von Elektrohand Gottes, die den Abend musikalisch meistern. Zwischen Leben und Tod katapultieren sie ihn in eine ungeahnte Ekstase, mit der sich der Untote ins Grab singt.
Ein Wechselbad der Gefühle, das führt uns zu Ingrid Lechner in die Dekadenz nach Brixen. „Geat‘s no?!“ (01.04., Regie: Angelika Gruber) fragt sich die taffe Kabarettistin, ist denn mit 50 Jahren wirklich alles vorbei? Zwischen Herzrasen und Schweißausbrüchen…sollte man da an die Memoiren denken oder schon ans Testament? Ingrid Lechner navigiert uns mit ihrem neuen Soloprogramm durch die Wallungen des Klimakteriums und führt uns dabei durch das befreite Chaos in die absolute Gewissheit: Der Wechsel kommt, und zwar für alle. Um den Vorreiter des absurden Theaters Daniil Charms geht es hingegen in Zwischenfälle, das neueste Opus von Theaterfreigeist Dietmar Gamper (ab 20.04). Darin zollt er dem Leben des russischen Autors Tribut, der in den 1930er-Jahren wegen seiner avantgardistischen Aktivitäten zuerst zensiert, dann verhaftet und schließlich verbannt wurde. Erst viele Jahre später wurden seine Texte jenseits von Logik, Sprache und Moral wiederentdeckt. Aus all dem bastelt Gamper eine bildstarke und urkomische Salve an dunklen Pointen, aberwitzig, surreal. Ein dröhnender Theaterabend.
Die Sterzinger Osterspiele warten dieses Jahr mit einem Zuckerle auf, denn sie zeigen die Komödie Besuch bei Herrn Grün aus der Feder des amerikanischen Erfolgsautors Jeff Baron (16.-18.04, Regie: Leo Ploner). Darin gibt Kultschauspieler Peter Mitterrutzner einen 80-jährigen Witwer, der um Haaresbreite einem Autounfall entkommt. Der junge Lenker wird des gefährlichen Fahrens für schuldig befunden und muss die nächsten sechs Monate den starrsinnigen Eigenbrötler versorgen. Klingt banal, ist es aber nicht, denn was als Komödie beginnt entwickelt sich zu einem Drama über versteckte Narben und menschliche Nähe, zu einem Lehrstück für Toleranz und Akzeptanz.
[Adina Guarnieri]