Theaterklassiker – subversiv und aktuell
Südtirols Bühnen in den ersten Frühlingstagen
Die Temperaturen steigen und in den Theatersälen des Landes erwachen die Frühlingsgefühle. Da heißt es raus aus der guten Stube und rein ins Vergnügen! Wer zu Hause bleibt, ist selber schuld.
Mit einem Evergreen starten die Vereinigten Bühnen Bozen: Don Quijote (ab 24.03.). Getreu dem Motto „Alle Macht der Fantasie!“ begibt sich Don Alonso als fahrender Ritter auf Reisen. Das Böse will er bekämpfen, mithilfe des treuen Sancho Panza. Statt Heldentaten, säumen Schmach und Niederlagen ihren Weg, doch für das Offensichtliche sind sie blind. Und der Kampf gegen die sprichwörtlichen Windmühlen hat gerade erst begonnen... Regisseur Nikolas Darnstädt wählt eine besondere Form der Inszenierung: mehrsprachig und mit einem europäischen Ensemble aus Litauen, Österreich und Südtirol.
Die Carambolage Bozen blickt indes in das Jahr 2040. In „(R)EVOLUTION – Eine Anleitung zum Überleben im 21. Jahrhundert“ (ab 09.03.) skizzieren Yael Ronen und Dimitrij Schaad ein Zukunftsbild, das es in sich hat. Algorithmen bestimmen die Welt, Babys werden vor der Zeugung perfektioniert, Elektrogeräte reparieren sich selbst. Und über allem waltet Alecto, eine künstliche Intelligenz, die alles, aber auch wirklich alles weiß: „Irrwitzige Science-Fiction, voller Denkanstöße, grandios umgesetzt!“, das schreibt die „Zett“. Regie führt übrigens Eva Kuen, und genau sie ist Ende März wieder in Bozen zu Gast. Mit Margot Mayrhofer und Teresa Staffler präsentiert sie die poetische Utopie “Bis in die Puppen!“ (30.-31.03.). Darin deklarieren sie: das Patriarchat ist wie der Weihnachtsmann, denn es verspricht Geschenke und bringt am Ende nur üblen Ramsch. Das Programm ist am 24. und 25. März auch in der Dekadenz Brixen zu Gast.
Weil wir schon in der Dekadenz sind: der preisgekrönte Kabarettist Florian Hacke präsentiert hier sein „Nichts darf man mehr!!!“ (04.03.). Täglich geht ein Raunen durch die Massen: „Du musst aufpassen, was du sagst“ und so weiter und so fort. Aber ist das wirklich so? Die schockierende Wahrheit lautet: Wenn du nicht gerade hetzt, beleidigst oder die Shoah leugnest, darfst du per Gesetz fast alles. Aber muss man es deshalb machen? Mit viel düsterem Humor bohrt Hacke tief in den Wunden des Kleinbürgertums. Der umgangssprachliche Spießbürger beschäftigt auch Theresa Reichl. In ihrem „Obacht, i kann wos!“ (18.03.) geht sie mehreren Fragen nach: Wie ist es, in einem 400-Seelen-Dorf aufzuwachsen, wo sich alle kennen? Warum liest man im Germanistikstudium nur männliche Autoren? Und wie lebt es sich als Feministin, Rampensau, Studentin, Frau und Dorfkind?
Humor in all seinen Facetten bieten auch die Meraner Kabarett Tage (17.03.-02.04.). Insgesamt sechs Gäste beglücken die Passerstadt, beginnend beim Moralapostel der Satire Mathias Tretter, der den Auftaktabend bestreitet. Das Beste aus ihrer 18-jährigen Karriere kredenzt Eva Eiselt, gefolgt von Alfred Dorfer, dem wohl bekanntesten Satiriker Österreichs. Maxi Schafroth wurde jüngst mit dem „Prix Pantheon“ geehrt, als „das junge, kritische, vielseitige Kabarett von heute“. Das letzte Wochenende eröffnet Martina Schwarzmann: Sie erzählt und singt über das, was so passiert im Leben einer Frau, die ihrem Gatten auf dem Hof hilft. Den Schlusspunkt setzt der Schweizer Gabriel Vetter, jüngster Preisträger des „Salzburger Stier“. Mag der Humor noch so verschieden sein, bei den Meraner Kabarett Tagen kommen sie alle zusammen.
Bleiben wir in der Gegend von Meran: Die Steinachbühne Algund zeigt im Dachtheater des Thalguterhauses „Das Streichquartett“ (ab 15.03.). Regisseur Hansjörg Hölzl präsentiert die Komödie des ungarischen Autors Szöke Szakall – ein Pointenfeuerwerk, bei dem kein Auge trocken bleibt. Der tüchtige Direktor Schwarz und seine Gattin Bella empfangen einen wichtigen Geschäftspartner zum Dinner und haben eigens ein virtuoses Quartett engagiert. Und so wartet der Gast im Ohrensessel gespannt auf das Konzert, doch zu hören kriegt er alles andere als gehobene Streichmusik…
Das Südtiroler Kulturinstitut hat im März viel vor: neben dem Ersatztermin von „Felix Krull“ (30.03., Bozen) und dem Klassiker „Alte Meister“ von Thomas Bernhard (21.03. Schlanders, 22.03. Brixen, 23.03. Meran), steht „Sensemann und Söhne“ auf dem Programm (15.-16.03., Waltherhaus Bozen). Darin widmet sich Regisseur Jan Neumann dem Tabuthema Tod. Mit Ernst und Humor bringt er das Unausweichliche auf den Punkt: Was bedeutet Verlust? Im Mittelpunkt stehen Personen, die durch das Ableben einer Seniorin beruflich gefordert sind: ein Arzt, ein Bestatter, ein Pfarrer. Und über allem schwebt die Frage: Kann man sich auf das Ende vorbereiten? In Schlanders wird am 30. März „Alma Rosè“ aufgeführt. Alma Rosè, die Nichte von Gustav Mahler, wurde 1906 in Wien geboren und machte als Violinistin Karriere. Mit einem rein weiblichen Ensemble tourte sie erfolgreich durch Europa. Doch 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert, wo sie von den Aufsehern mit der Leitung des Frauenorchesters betraut wurde. Musikalisch umrahmt gestaltet Schauspielerin Corinna Harfouch einen Abend über das Leben dieser couragierten Frau.
Das Theater in der Altstadt Meran zeigt „Missionen der Schönheit – Holofernesmomente“ von Sibylle Berg (ab 10.03., Regie: Martina Marini). Acht Frauen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Nationalität sprechen in Monologen von Verletzungen und Narben, von Selbstverstümmelung und Fremdvernichtung. Doch die Autorin geht einen Schritt weiter und berichtet auch über die subtile Macht der Erduldung, die irgendwann eine Katastrophe auslöst. Der Untertitel bezieht sich auf die biblische Episode, in der Judith ihr Volk vor dem Heerführer Holofernes rettet, indem sie ihn zuerst verführt und anschließend köpft. Die Mischung aus gesprochenem Theater und Tanz als Form der nonverbalen Kommunikation erschafft ein interdisziplinäres Bühnenstück, individuell und instinktiv im Zugang.
[Adina Guarnieri]