„Alles einsteigen, los geht’s!”
116 Jahre Rittnerbahn: eine Reise zwischen Tradition und Zukunft
Anfang 20. Jh: wo suchte der vornehme Bozner Bürger Erholung? Er fuhr mit der Rittnerbahn auf den nahegelegenen Ritten.
Vom „Salon“ der Kleinstadt Bozen ging die Fahrt wie bei einer Straßenbahn zum Bahnhof Bozen-Gries und weiter zum Rittner-Bahnhof, wo heute die Talstation der Seilbahn steht. Hier wurde zwischen 1907 und 1966 eine Zahnrad-Lokomotive angekuppelt, welche die Garnitur über 4,1 km nach Maria Himmelfahrt schob. Von dort fuhren die vornehmen Jugendstil-Wagen als Lokalbahn über Oberbozen und Wolfsgruben bis nach Klobenstein (so wie heute noch). Fast 1000 m Höhenunterschied verteilt auf einer Strecke von 11,8 km. Damals dauerte die Fahrt mehr als eine Stunde, heute reichen 12 Minuten aus. Wir haben mit Mag. Klaus Demar - Mitglied des Bahnkomitees - über die Geschichte der Rittnerbahn gesprochen.
Herr Demar, was macht die Rittnerbahn einzigartig?
Die Rittnerbahn ist die letzte in Betrieb stehende, aus der k.u.k.-Zeit stammende Schmalspurbahn Südtirols - und somit eine Rarität. Aus diesem Grund ist sie auch ein inzwischen vielbeachtetes Alleinstellungsmerkmal für den Ritten. Und, nicht zu vergessen, ein wichtiges Nahverkehrsmittel.
Welche Gründe sprachen für die Realisierung dieser Verbindung?
Ende des 19. und Anfang des 20. Jh, war es das Bedürfnis der Kurverwaltung Gries bei Bozen den betuchten Gästen aus den benachbarten Reichen Attraktionen zu bieten. Nach dem Bau der Brennerbahn, war die Errichtung vornehmer Hotels priorität. Es folgten mehrere Promenaden, sowie die Errichtung des Kursaales und eines Kurorchesters. Um den Herrschaften und Damengemeinschaften weitere Attraktionen anbieten zu können, erschloss man die Höhen um den Bozner Talkessel mit Bahnen: dazu gehörte auch die Rittnerbahn, die am 13. August 1907 eingeweiht wurde.
Wer benützte anfänglich die Rittnerbahn?
Vor allem Kurgäste, Sommerfrischler und betuchtere Bozner Bürger. Für die Rittner Bauernbevölkerung war die Bahn zu teuer, sie trug ihre Produkte weiterhin zu Fuß im Buckelkorb in die Stadt. Ein Vergleich soll dies verdeutlichen: eine Fahrkarte Bozen-Waltherplatz - Klobenstein und retour kostete 1907 in etwa gleich viel wie ein Tag Vollpension im bahneigenen Hotel Maria Schnee in Oberbozen (heute Hotel Holzner).
Können Sie mir sagen wie viele Fahrgäste insgesamt befördert wurden?
Die Gesamtanzahl ist nicht mehr festzustellen. Im ersten vollen Betriebsjahr (1908) benützten 78.476 Fahrgäste die Bahn und fuhren einen Gewinn von 46.712 Kronen und 80 Heller ein. In den letzten Betriebsjahren der Zahnradbahn (1960-1966) benützten jährlich durchschnittlich 330.000 Personen die Bahn und es wurden rund 7.600 Tonnen Güter jährlich befördert.
In den 50er Jahren begann man darüber nachzudenken, die Bahn durch eine modernere Seilbahn zu ersetzen. Was waren die Hauptgründe, die zu dieser Entscheidung führten?
Als Hauptgründe wurden damals angegeben: drastische Reduzierung der Fahrtzeit, finanzielle Einsparungen und „modernes“ Transportmittel. Baubeginn war Ende August 1963 und am Tag nach der Einstellung der Zahnradbahn - am 17. Juli 1966 - wurde die Seilbahn eingeweiht.
Trotz Seilbahn blieb der Eisenbahnabschnitt - der Maria Himmelfahrt mit Klobenstein verbindet - aktiv und ist heute noch in Betrieb...
Es war vorgesehen, auch diesen Streckenabschnitt einzustellen, sobald die Straßenverbindung zwischen Weber im Moos und Oberbozen soweit ausgebaut sein würde. Durch die schwierige Trassenführung verzögerten sich die Arbeiten. Weitsichtige Personen, allen voran Martin Christoph von Tschurtschenthaler, erkannten den Wert dieser verbliebenen Teilstrecke der Lokalbahn. Sie kämpften energisch für dessen Erhalt und hatten Erfolg.
Am 8. Juni ist die Vorführung eines Films geplant. Können Sie uns kurz darüber berichten?
Im Film, gedreht von Herrn Uffelmann aus Oberbozen, wird nicht nur der Ritten, sondern besonders die Bahn vorgestellt. Darin sind Farb-Sequenzen vom Waltherplatz, der Bahnhofsstraße und des Zahnstangenabschnittes aus dem Jahre 1965 zu sehen. Ein wertvolles historisches Bilddokument, das sicherlich alle Teilnehmer am „Bahnl-Abend“ begeistern wird. Zudem erzählt Herr Uffelmann von seinen täglichen Schulfahrten nach Bozen mit der Zahnradbahn.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Bahn?
Dass sie weiterhin als öffentliches Verkehrsmittel erhalten bleibt; dass ihr großer Wert von der Gemeinschaft wahrgenommen wird; dass die anzukaufenden modernen Garnituren in ihrem Äußeren nicht zu „modern” wirken. Ein Traum? Eine Rittner Zahnradbahn Neu!
[Fabian Daum]
RITTNER-BAHNL-ABEND
AM 8. JUNI, UM 20 UHR
Parkhotel Holzner in Oberbozen – Ritten
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: Tourismusverein Ritten
Für weitere Infos zum Thema Rittnerbahn: Buch - Rittnerbahn. Eisenbahn am Berg in Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft. - von Klaus Demar, Werner Schiendl, Gunther Denoth. T +39 0471 35 61 00 |