Ballett: der Vorhang fällt!
Nach 40 Jahren schließt das Ballettstudio Renate Kokot
Von der DDR bis Südtirol, ein Leben im Zeichen des Balletts. Zuerst als Tänzerin, dann als Pädagogin. Mit harter Arbeit verwirklichte sie ihren Traum. Später ermöglichte sie dies vielen jungen Tänzerinnen und Tänzern.
Ein Gespräch mit Renate Kokot: nach 4 Jahrzehnten Tätigkeit, kommt ihre Ballettschule in Neumarkt zum Epilog.
Frau Kokot, wie haben Sie Ihre Leidenschaft für das Ballett entdeckt?
Die wirkliche Leidenschaft für das Ballett kam erst in den Teenagerjahren. Zu Beginn mit 7 Jahren, war es anfänglich Neugier, aber mit fortschreitendem Alter wuchs zusehends die Begeisterung.
Wie erlebten Sie Ihre Jugend?
Ich bin ein Kind der DDR und sehr bescheiden aufgewachsen. Mein Elternhaus war eine bessere Gartenlaube, mit Fall-Klo, Gemüsegarten und viel Wald vor der Haustür. Der Staat hat Schule, Ballettausbildung und alle medizinischen Notwendigkeiten finanziert. Ich bekam sogar ein Stipendium, weil meine Eltern mich finanziell kaum unterstützen konnten.
Für die Liebe haben Sie Berlin verlassen und die „berühmten Schuhe“ an den Nagel gehängt...
Es war ein schwieriger Schritt, ohne Ballettsaal und Bühne. 1980 habe ich Walter aus Salurn - der in Weimar einen Germanistik-Kurs besuchte - kennengelernt. Wir sprachen von Heirat, aber das brachte Konsequenzen mit sich. An der Oper wurden mir alle Auslandstourneen gesperrt und meine ganze Familie und Verwandtschaft wurde monatelang durchleuchtet und überprüft. Wir heirateten am 20. November 1981 in Berlin. Ein Jahr später bin ich mit Sack und Pack nach Südtirol gezogen.
Und in Neumarkt eröffneten Sie Ihre Ballettschule...
Das erfolgte im April 1983. Kurz danach lehrte ich schon über 50 Kinder. Damals gab es nichts Ähnliches im Überetsch und Unterland. Der Schulsport war teils noch mangelhaft.
Stimmt es, dass Sie die Bühnenkostüme Ihrer Schüler selbst nähten?
Es stimmt, das ist auch so ein soziales Überbleibsel der DDR. Schon da nähte ich meine Opernballkleider selbst. Meine Ballettkostüme mussten so professionell wie nur möglich sein und kein Kind musste die Kostüme selbst besorgen. So haben sich in den 40 Jahren über 500 Kostüme angesammelt und gut die Hälfte davon habe ich selbst genäht.
Sie wurden immer als eine sehr anspruchsvolle und strenge Lehrerin bezeichnet. Wie sehen Sie sich selbst?
Als sehr genauen und nahezu kompromisslosen Menschen. Alles muss von Anfang bis zum Ende passen, so wie ich es mir vorgestellt habe. Hauptsächlich in der Arbeit. Unkorrektheit und Unehrlichkeit mag ich nicht. Privat bin ich oft zu gutmütig, dadurch hatte ich schon oft das Nachsehen. Aber es gab auch Zeiten, in denen ich viel gelacht habe.
Welche Zukunft erwartet Renate Kokot und ihr Ballettstudio?
Von der Lehrertätigkeit verabschiede ich mich nur bedingt, die 20 Schüler werde ich noch so lange unterrichten, wie sie interessiert sind. Die Teilnahme an Wettbewerben möchte ich noch etwas weiterführen und dann meine geliebte Tätigkeit ruhig auslaufen lassen. Traurig stimmt mich, dass es keinen Nachfolger für meine kleine Neumarkter Kulturinsel gibt, die mein ganzes Lebenswerk ist. Eine Ära geht zu Ende!
Möchten Sie etwas hinzufügen?
Es ist schade und das ist die Meinung vieler Anhänger und Zuschauer meiner Abschluss-Gala, dass meine wertvolle Arbeit für Kinder und Jugendliche, die Übermittlung besonderer Werte auf dem Gebiet der Ballettkultur, keine Anerkennung in der Gemeindeverwaltung Neumarkt gefunden haben. Ein großes Dankeschön an mein treues Neumarkter Publikum, das meine Ballettvorstellungen Jahr für Jahr, mit anhaltendem Applaus gewürdigt hat.
[Fabian Daum]
RENATE KOKOT (1947) wurde in Weimar geboren. Hier machte sie bereits mit 7 Jahren ihre ersten Tanzschritte im Ballettstudio Edelgard Sigismund. Elf Jahre später absolvierte sie ihre professionelle Ausbildung als Staatlich geprüfte Bühnentänzerin an der Staatlichen Ballettschule Berlin. Am Stadttheater Stralsund fand sie ihre erste Anstellungsmöglichkeit (1965–67). Dann folgte das begehrte Engagement am Metropol-Theater Berlin. Mit zusätzlichem Training an ihrer ehemaligen Ausbildungsstätte und für Nachwuchstänzer an der Deutschen Staatsoper Berlin, wurde sie 1972 in die Kompanie derselben engagiert. Hier konnte sie über 10 Jahre ihre ersehnten Träume verwirklichen. Nach ihrer Heirat (1981) zog sie im folgenden Jahr nach Buchholz, im Unterland, wo sie noch heute lebt. Nach ersten Unterrichtstätigkeiten als Ballettpädagogin in Nonantola (Modena) und Buchholz, beschließt sie 1983 ihr eigenes Ballettstudio in Neumarkt zu eröffnen. Diese Schule bildete 40 Jahre lang einige der besten Südtiroler Tänzer und Tänzerinnen aus. Einige davon sind heute weltweit bekannt, wie Timoteo Mock, Matthias Kastl, Francesco Resch, Roberta Slanzi, Tommaso Tezzele, Elisa Darù und Anita Harb.