H.-C. Strache und Kaisermord
Die kabarettistische Völkerverständigung der Malarina
In Serbien geboren und als sogenanntes Gastarbeiter-Kind im Österreich der 90er-Jahre aufgewachsen, steht Malarina heute als Künstlerin auf der Bühne. Ihr aktuelles Programm “Serben sterben langsam” beleuchtet das besondere Verhältnis zwischen dem Land ihrer Geburt und jenem, das ihre Familie zur neuen Heimat machte.
Wie würdest du “Serben sterben langsam” in drei Sätzen beschreiben?
Es handelt sich um eine historische und politsatirische Aufarbeitung. Darin zeige ich alle Verbindungspunkte Serbiens und Österreichs in politischer Hinsicht auf – beginnend beim 1. Weltkrieg und endend mit dem heutigen Tag.
Auch – oder: gerade – im Kabarett stecken viele Körnchen Wahrheit. Nicht umsonst spricht du ja auch von “Geschichtsstunde”. Nimm uns mit in dein Österreich der ‘90er bis heute.
Österreich und Serbien haben viele Ähnlichkeiten. Nennen wir es die nationale Seele mit einem Kollektivherzschlag: Beide Länder fallen auf durch Selbstmitleid und Geschichtsrevisionismus; beide warten darauf, nachträglich selbst als Opfer gesehen und anerkannt zu werden – bevor sie bereit sind, um Entschuldigung zu bitten.
Was früher faschistisch war, versteht sich auch heute noch gut. Daher ist das Material, dem ich mich im Rahmen meines Programms widme, interessant für beide Seiten. Wichtig ist mir jedoch, in meinem Kabarett fair zu sein. Es gibt viele Versionen. Daher hilft der bi- und trilinguale Konsum von Medien.
Auf der Bühne mimst du die toughe Austroserbin. Wer ist die Malarina hinter dem harten Kern?
Meine Kunstfigur ist eine Person, die Heinz-Christian Strache gewählt hat und jetzt seinen Verlust betrauert, während sie sich neu orientieren muss. Die Figur ist ratlos und karikiert sich selbst. Wenn man in diese Rolle schlüpft, bekommt das Ganze etwas Erklärerischeres. Doch der erhobene Zeigefinger ist im Kabarett schwierig umzusetzen, das Fragezeichen funktioniert besser. Es steckt schon viel von meinem Charakter in der Kunstfigur, zum Beispiel bin ich wirklich tough und aufbrausend. Aber meine politische Einstellung ist natürlich ganz anders: Ich bin links. Ich teile gern und glaube, man hat kein Glück in seinem Glück, wenn man das nicht tut.
Privat bin ich auch überhaupt keine Patriotin. Vermutlich, weil ich schon immer zur Minderheit gezählt habe. Ich bin eine Künstlerin. Früher dachte ich immer, ich würde der Welt einen sehr, sehr schwierigen Roman hinterlassen. Wie Kafka. Kabarett als Kunstform wäre mir nie in den Sinn gekommen – allein schon, weil ich nie meinen Platz auf der Bühne beansprucht hätte. Noch heute bin ich sehr demütig angesichts jedes Einzelnen, der zu meinen Auftritten kommt.
Du hast dich der Völkerverständigung verschrieben und bist seit gut 3 Jahren am Werk. Wie läuft’s? Und inwieweit beunruhigen dich die neusten Entwicklungen im Kosovo?
Konflikte, die noch aktuell sind, spare ich aus, weil sie aus meiner Sicht zu triggernd sind und ich darin keinen Mehrwert sehe. Wie die meisten Menschen, die aus Serbien stammen, war ich auch noch nie im Kosovo und spreche kein Albanisch, weshalb ich zu wenig Einblick habe. Auch das Wort Srebrenica spreche ich nicht aus, sondern umschreibe es. All das ist noch (oder schon wieder) aktuell und die Lebensbedingungen für die Menschen dort sehr schwierig.
Mit Blick auf die Völkerverständigung: Der ganze Balkan kommt zu meinen Auftritten. Jugoslawien war früher ein Land, es gibt das “Uns”-Narrativ. Als Migrant_innen in einem neuen, fremden Land haben wir uns sowieso nie gehasst, sondern uns gegenseitig die Räuberleiter gelegt. Als viele Serben dann in Österreich rechts gewählt haben, hat mich das traurig gemacht. Doch auch Migranten sind nun mal nicht gefeit vor Xenophobie.
[Daniela Caixeta Menezes)
ZUR PERSON
Malarina wird in Picka Materina (Serbien) geboren. Ihre Eltern gehen als Gastarbeiter nach Österreich und holen bald die Kinder nach. Nach einer Jugend in Innsbruck studiert Malarina Komparatistik an der Uni Wien. Seit 2019 steht sie als Kabarettistin auf der Bühne – ihr Beitrag zur Völkerverständigung zwischen den “Schwabos , Tschuschen und Elite-Tschuschen”.
Mehr Infos: https://malarina.com/
Nächster Auftritt: 11.02.2023 - 20:30 Uhr: Brixen (Dekadenz).