Der Tod im Kindertheater
Schauspielerin Doris Pigneter im Gespräch
Die gebürtige Terlanerin Doris Pigneter, 33, wohnt seit etlichen Jahren als freischaffende Schauspielerin und DJane in Hamburg. Ab Ende November spielt sie die Rolle der Ente aus dem Kinderbuch „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch auf heimischen Bühnen. Wie sie sich mithilfe der Schauspieltechnik „Animal Work“ darauf vorbereitet hat und warum es ein Irrtum ist, Kindern gegenüber den Tod zu verschweigen, schildert sie im Interview vorab.
Wie nehmen Sie die Theaterlandschaft in Südtirol wahr?
Tatsächlich als sehr vielfältig, vor allem dann, wenn man die Amateurschauspieler miteinbezieht. Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich als mittlerweile freischaffende Schauspielerin in Deutschland und habe beobachtet, dass gerade im Amateurbereich hierzulande deutlich mehr initiiert wird. Und auch im professionellen Rahmen wird, von klassischen Inszenierungen bis hin zu experimentellen Performances, sehr viel geboten. Man wird mutiger, probiert sich aus; das finde ich großartig.
An den Vereinigten Bühnen Bozen mimen Sie ab Ende November die Ente aus dem Kinderbuchklassiker „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Zunächst habe ich die Theaterfassung gelesen, da ich das Kinderbuch bis dato nicht kannte. Die Rolle der Ente zu spielen, fand ich sehr reizvoll, weil ich mir Figuren ohnehin oft anhand von Tieren erschließe. Bei dieser Schauspieltechnik werden die charakterlichen und physischen Eigenschaften von Tieren nachgeahmt. Im Vorfeld sehe ich mir Naturdokumentationen und, wenn möglich, die Tiere in der Realität an. Es geht darum, ihre Gangart zu beobachten, wie sie miteinander kommunizieren, wie sie sich bei Hunger oder während der Paarungszeit verhalten und worin sich Jungtiere, ausgewachsene Tiere und Alttiere unterscheiden. Außerdem ist es wichtig zu wissen, ob es sich um ein Beutetier oder einen Jäger handelt, um jeweils die Opfer- oder Täterperspektive einnehmen zu können. Eine Ente spielen zu können, ist natürlich von Vorteil, auch weil ich die Tiere am nahegelegenen Fluss beobachten konnte.
Wie schaffen Sie es, das dadurch gewonnene Wissen in die Rolle einfließen zu lassen?
Das muss sehr subtil geschehen, weil das Publikum nicht merken soll, welches Tier die Darstellung beeinflusst. Auch ist es so, dass diese Recherchearbeit vor Probenbeginn erfolgt und somit zur sogenannten unsichtbaren Arbeit eines Schauspielers gehört. Inwiefern das angeeignete Wissen tatsächlich zur Gestaltung der Figur herangezogen wird, entscheidet letztendlich die Regie.
„Ente, Tod und Tulpe“ erzählt von der Freundschaft zwischen einer Ente und dem Tod. Wie kann es gelingen, Kindern dieses Thema näherzubringen?
Obwohl es selbst für viele Erwachsene nicht einfach ist, sich mit dem Tod zu beschäftigen, denke ich, dass eine kindgerechte Aufbereitung möglich und geradezu notwendig ist. Den Tod zu tabuisieren und Kindern gegenüber nicht anzusprechen, finde ich schade. Das Stück ist so aufgebaut, dass der Tod eben nicht als Inbegriff des Bösen dargestellt wird. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen der Ente und dem Tod, von der beide Seiten profitieren, was ich als sehr rührend empfinde. Gleichzeitig wird nicht verschwiegen, dass man den Lauf der Dinge nicht aufhalten kann. Jedes Leben wird irgendwann zu Ende sein, jeden von uns wird der Tod ereilen. Aber das macht das Leben nicht weniger schön. Das Schöne wird nicht weniger schön, weil es vergänglich ist. Vielleicht wird es ja gerade erst durch seine Vergänglichkeit so kostbar für uns.
Haben Sie sich selbst mit dem Tod anfreunden müssen, um die Rolle authentisch verkörpern zu können?
Eines Tages wird jeder mit der Situation konfrontiert werden, dass eine nahestehende Person stirbt. Als ich selbst noch ein Kind war, ist mein Vater gestorben, und deshalb weiß ich auch, wie weh es tut, sich mit der Vergänglichkeit beschäftigen zu müssen. Mitunter ist das auch ein Grund, warum ich an dieser Theaterproduktion mitwirken möchte.
[Angelika Aichner]
ZUM STÜCK
Der Kinderbuchklassiker „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch erzählt in poetischen Bildern von der Freundschaft zwischen einer Ente und dem Tod. Während sie gemeinsam Abenteuer erleben, sprechen sie darüber, was wohl nach dem Tod kommen wird und was man unbedingt noch tun sollte, ehe man stirbt. Das Stück, das sich an Kinder ab sechs Jahren richtet, wird von den Vereinigten Bühnen Bozen ab 26. November südtirolweit aufgeführt.
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