Über Serbien nach Gethsemane
Historisch informativ, biblisch korrekt: das Theater im Februar
Der zweite Monat bringt meist Narrenfreiheit und Faschingsfreuden mit sich. Doch was für die meisten nur einmal im Jahr möglich ist, das passiert auf Südtirols Bühnen fast täglich, und wir können auch noch dabei zusehen.
Im Theater in der Altstadt Meran wird ein Stück biblischen Ausmaßes präsentiert, aber keine Bange, es ist nicht Ben Hur, sondern Judas der niederländischen Autorin Lot Vekemans (ab 08.02.). Sein Kuss veränderte die Welt, oder zumindest das Leben des Heilands, und dafür hat Judas einiges hinnehmen müssen an Schmach und Selbstvorwürfen. Nun erzählt er seine Sichtweise und geht dabei auch der Frage nach, was passiert wäre, wenn er Jesus in Gethsemane nicht verlassen hätte? Was wäre aus ihm geworden? Was wäre aus uns allen und dem Christentum geworden? Mit Humor und Leichtigkeit, ohne dabei auf Tiefe zu verzichten, gibt Lot Vekemans dem Jünger, der Jesus verriet, ein Gesicht und eine eigene Geschichte.
Das Südtiroler Kulturinstitut zeigt Romy Schneider – Zwei Gesichter einer Frau (01.02. Forum Brixen, 02.02. Stadttheater Meran). „Ich kann nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand“, das sagte Romy Schneider einst über sich selbst. Chris Pichler gestaltet ein Stück über die Schauspielerin, deren Rolle als Sissi Segen und Fluch zugleich war. Er folgt ihrer Biografie und gestaltet das Bild einer Frau, einer Mutter und Ikone, die verletzlich und aufbegehrend, fremdbestimmt und selbstbewusst ihr Leben bestritten hat. Anschließend steht im Bozner Waltherhaus eines der erfolgreichsten Dramen unserer Zeit auf dem Programm: Vögel von Wajdi Mouawad (08.-09.02.). Eitan und Wahida sind ein Paar, obwohl sie aus unterschiedlichen Kulturen stammen. Als Eitans Eltern davon erfahren, empfinden sie die Liebe zu einer Palästinenserin als Verrat an der eigenen jüdischen Geschichte. Um dem familiären Erbe auf die Spur zu kommen, reisen Eitan und Wahida nach Israel, wo sie in ein Attentat geraten: Die brutale Realität des israelisch-palästinensischen Konflikts. Familiengeheimnisse kommen ans Licht, die eigene Herkunft wird zur Herausforderung. Ein Stück über Identitäten, historische Last und eine Liebe zwischen den Fronten.
Der Liebe widmet sich, wenn auch auf ganz andere Weise, die Bozner Carambolage. Pünktlich zum Valentinstag am 14. Februar geht dort das allseits bekannte und zuweilen auch berüchtigte Improtheater über die Bühne, diesmal mit dem romantisch-rockigen Titel “Love Stories“. Manchmal kann das Leben so schön sein: Der Himmel hängt voller Geigen, Schmetterlinge flattern im Bauch. Zuweilen regnet es aber auch Konservendosen voller gebrochener Herzen. Aber egal, das Team vom Improtheater schüttelt und rührt eure Tränen, bis daraus Lachcocktails werden, mit denen der Liebeskummer im Nu verfliegt. Denn Herzen sind wie Lego: man kann immer was Neues damit bauen!
Die Vereinigten Bühnen Bozen widmen sich im Februar einer ganz besonderen Geschichte: jener der Fanes (ab 15.02.). Die mythische Erzählung inspiriert die mehrfach preisgekrönte Autorin Anna Gschnitzer zu einer poetischen Auseinandersetzung mit den Frauen aus Fanes, die nicht nur die Vergangenheit, sondern auch eine fragil gewordene Gegenwart und Zukunft befragt. Es geht um ein mysteriöses Pfeifen in den Bergen, um einen verlorenen Stein und ein verirrtes Schaf. Während die Natur immer mehr rebelliert und alles zu verschlingen droht, verwandeln sich die Menschen in Sagengestalten, die gemeinsam Schutz in den Höhlen der Murmeltiere suchen. Begleitet wird das Schauspiel von der Musicbanda Franui aus Osttirol, die mit ihrer unverwechselbaren Klangbatterie die unbekannten Aspekte alpiner Volksmusik erkunden.
Seit fast 30 Jahren ist er im Showbiz zu Hause und noch immer zeigt er keine Ermüdungserscheinungen: Kay Ray, zu Gast im Kulturkeller der Brixner Dekadenz (03.-04.02.). Ein Könner, der für einen Gag seine Oma verkaufen würde, ein göttlicher Gaukler, ein Spaßmacher ohne Furcht und Tadel, ein kabarettistisches Gesamtkunstwerk. Provokant und poetisch redet er frei von der Leber über Dinge, die die meisten nicht mal zu denken wagen. „Eine funkensprühende Fröhlichkeitsgranate mit hoher Sprengkraft“, das sagt der bekannte Kabarettist Arnulf Rating über Kay Ray. Im Gegensatz dazu ist Malarina Anfängerin, aber eine, die es faustdick hinter den Ohren hat. „Serben sterben langsam“ nennt sich ihr Programm (11.02.), in dem sie scharfzüngig die Ursprünge der serbisch-österreichischen Freund- bzw. Feindschaft nachzeichnet: Wie sollen sich die Serben, die im Schatten von Kaisermord und Srebrenica leben, in einem Land wie Österreich integrieren, wo die Geschichtslehrer von ebendiesem Kaisermord mit nicht nachlassendem Entsetzten berichten? „Eine außergewöhnliche Mischung aus politsatirischer Geschichtsstunde und Ethnocomedy“, das schreibt Der Falter. Eine zünftige One-Man-Show bring anschließend Dan Knopper mit seinem „Salon Sieglinde“ auf die Bühne (25.02.). Personal ist heutzutage furchtbar teuer, aber Knopper macht sich Mut – selbst ist der Mann – und bestreitet alles im Alleingang: Lesung, Mysterienspiel, Punk und Schlager. Er swingt, tanzt und spottet sich durch den Abend, ohne Pardon, ohne Angst vor Verluste (und die wird es geben, ganz sicher).
Last but not least die Mariner Bühne, zu Gast im Stadttheater Bruneck, wo sie die Komödie „Das Streichquartett“ von Szöke Szakáll präsentiert (bis 12.02., Regie: Sonia Ellemunt). Ein tüchtiger Direktor und seine eher unterbelichtete Gattin erwarten Landesrat Sommer, ihren wichtigsten Geschäftspartner, zum Dinner. Um sich sein Wohlwollen zu sichern, soll der Abend mit stimmungsvoller Musik umrahmt werden. Doch die geladenen „Virtuosen“ sind dafür völlig ungeeignet. Wie sich galant aus der Affäre ziehen? Mit Notlügen, Beschwichtigungen und gutem Zureden hoffen sie inständig, den Abend heil über die Bühne zu bringen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
[Adina Guarnieri]