Windräder und die großen Fragen
Das Theater im Jänner scheut sich vor nichts
Frisch starten Südtirols Bühnen nach den Feiertagen ins neue Jahr. Es steppt der Bär und wer da mithalten will, hat eine rasante Zeit vor sich. Doch vielleicht kann man damit die Plätzchenpfunde schneller loswerden? Einen Versuch ist es allemal wert…
Die Vereinigten Bühnen Bozen beschäftigen sich zu Jahresbeginn mit einem hochaktuellen Thema: die Klimakrise. Ab 14. Jänner steht Kein Weltuntergang von Chris Bush auf dem Programm, das erstmals auf Deutsch aufgeführt wird (Regie: Sophia Aurich). Vor dem Klimawandel kann niemand mehr die Augen verschließen, zumindest sollte dem so sein. Doch allzu oft zögern die Staaten festgelegte Ziele hinaus und auch im Privaten handeln viele fahrlässig. Dabei beeinflussen wir mit unserem Tun tagtäglich unseren Lebensraum. Chris Bush spielt in ihrem Stück ein und dieselbe Geschichte in unzähligen Möglichkeiten durch und zeigt, dass selbst kleinste Details den Lauf der Dinge verändern können: Dr. Anna Vogel möchte einen Job an einem renommierten Klimainstitut ergattern. Wiederholt strauchelt sie, jedes Mal aus einem anderen Grund. Doch die Leerstellen in der Erzählung muss das Publikum selbst füllen.
Weihnachten ist zwar vorbei, dennoch blickt das Südtiroler Kulturinstitut nochmal in den Dezember, und zwar mit Heilig Abend von Daniel Kehlmann (11.01. Waltherhaus Bozen, 12.01. Stadttheater Meran). Regisseurin Mirjam Loibl und das Staatstheater Nürnberg erzählen von einem Verhör am 24. Dezember. Ermittler Thomas hat es eilig, denn um Mitternacht soll eine Bombe hochgehen. Judith soll sie gelegt haben und genau sie sitzt ihm nun gegenüber. Doch ist sie tatsächlich eine Terroristin? Gibt es die Bombe überhaupt oder wird Judith gerade zum Opfer staatlicher Willkür? Judith ist Professorin für Philosophie, sie kennt gesellschaftliche Gewaltstrukturen und beginnt langsam aber sicher, an Thomas zu zweifeln. Es beginnt ein verbaler Kampf zwischen der linksradikalen Systemkritikerin und ihrem unberechenbaren Vernehmer. Dabei geht es um die Frage, ob Freiheit und Sicherheit in unserer aktuellen Gesellschaft überhaupt noch vereinbar sind.
Die Dekadenz Brixen wagt einen Blick zurück, denn am 13. Jänner präsentiert hier Robert Asam seinen satirischen Jahresrückblick mit dem vielversprechenden Titel Freude im Edelweiß (nein, es ist kein Schreibfehler). Zum Besten gegeben werden aber keine Abhörprotokolle. Auf das Publikum wartet ein recht unseriöser Streifzug durch das Jahr 2022, das, laut Asam, ein ausgesprochen gutes Jahr war – zumindest für die Satire! Wer es überlebt hat, wird auch diesen Abend unbeschadet überstehen. Ein Stück über Freundschaft und Toleranz ist König & König der Compagnie Nik, ein Gastspiel mit Regisseurin Veronika Wolff (18.01.). Inspiriert am Kinderbuch von Linda de Haan und Stern Nijland, geht es im Stück um eine betagte Königin, die ihren faulenzenden Sohn zu Hochzeit und Krone anspornt. „Du bist erwachsen, jetzt wird geheiratet und dann regiert!“, so ihr Motto. Potentielle Prinzessinnen kommen in den Palast, alles tolle Frauen, doch die Richtige ist nicht dabei. Mutter und Sohn wollen schon aufgeben, als der Nachbarsprinz seine Schwester in den Palast bringt und…alles ganz anders kommt als gedacht.
Den kleinen Theaterbegeisterten wird auch im Theater in der Altstadt Meran Spannendes geboten: Time Out nennt sich das Stück von Christina Kettering, in dem sich zwei clowneske Sisyphus-Charaktere mit den ewigen Fragen der Menschheit herumschlagen: Das Sein und das Nichtsein, Anfang und Ende. Die Zeit spielt in unserem Leben eine wichtige Rolle. Manchmal ist sie zäh wie ein Kaugummi, dann wieder vergehen die Stunden wie im Nu. Wer da nicht schnell ist, hat das meiste schon verpasst, ehe es begonnen hat. Zeit ist begrenzt. Aber was ist denn mit denen, die lieber langsam sind? Nicht schnell sein wollen oder können? Regisseurin Eva Kuen inszeniert ein philosophisches Kinderstück mit viel Witz über die Zeit und deren Wahrnehmung, zu sehen bis 8. Jänner.
„Schön und gut“ denkt sich das Team der Carambolage, doch das will kein stoisches Fazit sein, sondern der Name eines Schweizer Duos, das am 12. und 13. Jänner in Bozen zu Gast ist. schön&gut, Anna-Katharina Rickert und Ralf Schlatter, sind seit 2003 gemeinsam mit ihren mehrfach preisgekrönten Kabaretts unterwegs. Mit Wortwitz, Gesang, Satire und grenzenloser Fantasie erzählen sie die Geschichte eines Dorfes, in dem drei Windräder den Ton angeben (und das Geld bringen). Doch eine ominöse Aktivistin ist drauf und dran, dem politischen Spektakel rund um die Räder den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Chaos ist vorprogrammiert. „Eine Wonne für alle, die sich gern amüsieren und dabei auch selber mitdenken“, das schreibt lobend La Cappella. Gnadenlos geht’s weiter mit Sven Garrecht und seinem “Wenn nicht jetzt, wo sonst?” (18.-19.01.). Der Kabarett-Shooting-Star bewegt sich frech zwischen den Genres, er plaudert, musiziert, macht Popoetry. Auf der Bühne lässt er möglichst viele Menschen an seinen bahnbrechenden Erkenntnissen teilhaben: Ist diese Welt noch zu retten? Und muss ich dafür vom Sofa aufstehen? Bin ich schon alt genug, um wieder jung sein zu wollen? Fürwahr, das sind die großen Fragen unserer Zeit.
Premiere feiert das Theater an der Etsch in Neumarkt, und zwar am 29. Jänner mit Glück von Eric Assous. Darin geht es um eine zufällige Begegnung, die sich binnen kurzer Zeit in eine ernste Sache verwandelt. Der Haken? Lisa und Alex passen eigentlich gar nicht zusammen. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie beide über 50 sind und aufgrund schlechter Erfahrungen eine recht desillusionierte Sichtweise auf das andere Geschlecht pflegen. Warum also sich nochmal darauf einlassen, wenn man sowieso nicht mehr an die „wahre Liebe“ glaubt? Macht uns die Reife des Alters vielleicht toleranter, ja gar kompromissbereiter? Oder ist es doch nur die Angst davor, alleine alt zu werden? Das Streben nach Glück kennt kein Alter.
[Adina Guarnieri]